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Archive for September 2010

Nachgedacht von Don Mario Pinggera

23. September 2010 Kommentare aus

Es war schon erstaunlich, wie hoch die Wellen in Deutschland geschlagen sind, als es um die Thesen des Bundesbankvorstandes Sarrazin ging. Eine breite Allianz von Kanzlerin, Bundespräsident, Minister, SPD usw. übertrafen sich in Übungen der Empörung. Aber Politiker leiden, wie so oft, an Gedächtnisschwund immer dann, wenn es eng wird. Der gleiche Schäuble, als er noch Innenminister war, schlug bezüglich der Ausländer weit härtere Töne an, ja selbst der ehemalige Innenminister Schily (SPD) prägte den Satz „das Boot ist voll.“

Der Unterschied zur weitgehenden Wirkungslosigkeit der bisherigen Integrationspolitik besteht darin, dass Sarrazin ziemlich genau präzisiert, worum es geht und auch weitgehend brauchbare Lösungsansätze hat. Sein Problem ist lediglich, dass er ein Tabu gebrochen hat: Ein wichtiges Tabu, welches heißt, dass die an der Macht nicht kritisiert werden wollen – und schon gar nicht so!

Dabei ist das Thema „Integration“ so wichtig. Wo wäre der heutige Wohlstand in Deutschland, Österreich und der Schweiz ohne die Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem nahen Ausland in den 1960er Jahren? Wer hat die Luxusvillen im Oberengadin, die Staumauern der Kraftwerke oder derzeit den Gotthardbasistunnel maßgeblich gebaut? Wer leistet einen Großteil der Erntearbeit in den Südtiroler Obstplantagen? Wie wäre es um unsere Gastronomie bestellt ohne die Kräfte aus anderen Ländern?

Antwort: Diese Menschen haben unseren Wohlstand mit aufgebaut. Aber Arbeit ist nicht der einzige Lebenssinn, für uns nicht und für die Anderen auch nicht. Wie sehr ist beispielweise eine Arbeiterin oder ein Arbeiter aus dem Ausland willkommen in unseren Vereinen und in unserem sonstigen gesellschaftlichen Leben? Signalisieren wir offene Türen? Haben wir etwa vergessen, dass auch unsere Väter und Mütter als „Nichteinheimische“ ins Ausland ziehen mussten, weil es bei uns schlicht zu wenig Arbeit gab? Wie viele von diesen haben dort Freundschaften geschlossen, die bis heute halten.  Weil sie Auf- und Annahme fanden! Wenn also unsere „Nichteinheimischen“ nur als Arbeiter und Arbeiterinnen geduldet werden, besteht niemals eine Chance einer Annäherung. Aber sich annähern heißt, aufeinander zuzugehen. Und vergessen wir nicht: Spätestens beim Überqueren der nächsten Grenze sind auch wir keine Einheimischen mehr. Aber wir erwarten doch, dass uns die Anderen gut behandeln. Oder etwa nicht?

Der Alpenverein im Schilderstreit

23. September 2010 Kommentare aus

Etwas hat der Bozner Gemeinderat Guido Margheri mit seiner Eingabe an die Staatsanwaltschaft vom Frühjahr 2009 mittlerweile schon erreicht: Seit Monaten gehen in Südtirol die Wogen hoch und die Medien waren das gefürchtete Sommerloch los.

Staatsanwalt Rispoli hat die möglichen Straftäter noch gar nicht in das Verzeichnis der Personen eingetragen, gegen die ermittelt wird, geschweige denn, dass Anklage erhoben worden wäre. Die „Übeltäter“ müssen sich daher über die Zeitungen „schlau machen“, was man ihnen vorwirft!

Margheri beklagt in seiner Eingabe, dass dem Alpenverein Südtirol für die Beschilderung der Wanderwege öffentliche Gelder zugeflossen wären, welche dieser dann dazu verwendet hätte, um im ganzen Land „in separatistischer Absicht“ einsprachige und einnamige Schilder anzubringen. Dadurch wäre nicht nur die Pflicht zur Zweisprachigkeit bei der Anbringung von Ortstafeln verletzt, sondern auch noch öffentliche Gelder zweckentfremdet und veruntreut worden.

Die Hauptleitung des AVS war den ständigen Medienrummel rund um die Schilder schließlich leid. Sie überreichte dem Staatsanwalt über den RA Hanns Egger eine Sachverhaltsdarstellung. Darin wird klargestellt, dass die Beschilderung unentgeltlich und freiwillig von den Vereinsmitgliedern vorgenommen wurde. Öffentliche Gelder, auch EU-Fördermittel, wurden lediglich für die Digitalisierung der Wanderwege gewährt. So wie es ausschaut, dürfte sich der ganze Rauch bald verziehen.

Was bleibt, ist das nach wie vor ungelöste Problem der Toponomastik. Den Mitgliedern des AVS kann man es nicht verdenken, wenn sie sich weigern, auf ihren Schildern die Kofelraster Seen mit „laghetti di covolo“, das Hasnöhrl mit „orecchio di lepre“ und den Hohen Dieb mit „Gran Ladro“ zu bezeichnen! Diese Namen sind so wie die meisten
Orts-, Berg-, Hof- und Flurnamen von Ettore Tolomei frei erfunden worden. Die hier lebenden Italiener müssten die ersten sein, welche sich für eine Flurbereinigung einsetzen. Über die Staatsanwaltschaft und das Gericht kann das Problem jedenfalls nicht gelöst werden, auch nicht durch Gespräche zwischen den alpinen Vereinen, sondern einzig und allein über die Politik.

Peter Tappeiner, Rechtsanwalt

Goldader Stück für Stück

23. September 2010 Kommentare aus

LH Luis Durnwalder flankiert von den BM Andreas Heidegger und Gustav Tappeiner

Die Eröffnung des Radweg-Teilstückes Staben-Tschars vor gut 14 Tagen hat sich ausgenommen wie ein Abschiedsgeschenk an die scheidenden Bezirkspräsidenten Johann Wallnöfer und Ignaz Ladurner, die sich in ihren Grußworten weiterhin eine gute Zusammenarbeit zwischen den Bezirksgemeinschaften wünschten.

Gemessen an der anwesenden Polit- und Wirtschaftsprominenz bei der Eröffnung rund um LH Luis Durnwalder ist der Radweg an der Bezirksgrenze aus Gold. Tatsächlich ist der Radweg, nicht nur durch den Vinschgau, eine Goldader – für die Erholung, für den Tourismus, für den Freizeitsport (sh. „Vinschgerwind“ 8/2005). Zwischen Staben und Tschars ist der Radweg mit einem flankierenden Fußweg ausgestattet. Vom Vinschgau kommend hat Hansjörg Dietl die Planung übernommen, die Firma Josef Mair hat die Arbeiten ausgeführt. Kosten: rund 400.000 Euro. Den Teilabschnitt im Burggrafenamt von Staben bis zur Gemeindegrenze Kastelbell hat die Firma Marx gebaut, Herbert Mantinger hatte die Bauleitung inne. Kosten: rund eine Million Euro. (eb)

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„Fan Loan hot ma nit grett…“

23. September 2010 Kommentare aus

Josef Frank (Sepp), geboren 1930. Der Altbürgermeister ist Schludernser Ehrenbürger und Träger des Verdienstkreuzes des Landes Tirol. Zum 80. Geburtstag gratulierten ihm Gemeinde-und Parteivertreter im Namen der Bevölkerung

Wenn Sepp im Herbst auf die Schludernser Ebene blickt, wo zwischen Obstbäumen noch vereinzelt Kühe grasen, erinnert er sich an seine Zeit als Hütbub und an die vielen Knödel, die ihm die „Ficktr Muatr“ zur Verpflegung mitgegeben hat. Beim „Ficktr-Bauern“, wo er als Hütbub mithalf, konnte er sich endlich satt essen. Daheim war das Brot in einem Koffer eingesperrt, das die Mutter den sechs Kindern sparsam zuteilte. „Miar hoobm oft Hungr kopp“, sagt er. Neben der Not fühlte er auch die politische Unsicherheit. Zuerst hatten die Faschisten das Sagen und die Lehrerin in der Schule sprach nur Italienisch. Dann folgte die Option und der Unterricht wurde in Deutsch gehalten. „Miar Kindr hoobm nit vrstondn, um woos es geat“, erklärt er. „Miar hoobm lai in Hoss gegn di Doblaibr gspiirt“. Dass Krieg herrschte, wurde ihm erst bewusst, als die erste Gefallenenehrung am Friedhof stattfand. Schon bald reihte sich eine Ehrung an die nächste und als Sepp die Einberufung zur Standschützenausbildung auf Annaberg erhielt, überkam ihn die Angst, doch er musste sich fügen. Das Kriegsende kündigten die amerikanischen Soldaten an und Sepp machte seine erste Bekanntschaft mit Schwarzen und einem Kaugummi. Die Soldaten zogen ab und Normalität kehrte ein. Lange suchte Sepp eine Lehrstelle die er dann endlich als Schneider und Frisör in Prad fand. Täglich pendelte er auf seinem Fahrrad dorthin, mit dem Essen in einer alten Blechkanne im Rucksack. „A bläulichs Erdäpflgreascht isch olm draus gwortn“, lacht er. Nach einiger Zeit fiel der Seniorchefin das verfärbte Essen auf und von da an erhielt er täglich eine Suppe. Lohn für die Lehre gab es keinen, das war damals nicht üblich. „Fan Loan hot ma nit grett, ma hot froa sein gmiaßt, dass ma nit hot zoln braucht“, sagt Sepp. Nur selten konnte er mit neuen Stoffen arbeiten. Meist brachten die Frauen alte Militärmäntel mit der Bitte, diese zu Hosen und Joppen umzuarbeiten. Zwischendurch schnitt er Haare. Dabei erhielt er hie und da ein Trinkgeld. „Um dia Kundn hoobm miar Learbuabm  graft“, betont er. Als Geselle arbeitete Sepp kurze Zeit in Gargazon, doch es zog ihn wieder heim. 1952/53 erfüllte er sich einen Traum und besuchte die  Landwirtschaftsschule Fürstenburg. Gerne hätte er studiert, doch sein Bruder war ihm zuvor gekommen. „Für zwoa hotts nit glong“, so Sepp. Er machte sich in der Stube seines Elternhauses  selbständig und musste erfahren, dass sein Handwerk keinen goldenen Boden hatte, weil das Geld allgemein knapp war. Als Untersenn auf Almen und als Hotelportier in der Schweiz verdiente er sich im Sommer etwas dazu. In der kalten Jahreszeit schneiderte er und schnitt Haare. Regelmäßig ging er auf den Schludernser Höfen und am Schlanderser Sonnenberg „auf Stör“. Seine Freizeit verbrachte er als Feuerwehrmann, als Musikant, als Sänger und als Theaterspieler. Auf der Bühne lernte er die drei Jahre jüngere und von vielen Burschen begehrte Theresia Wachter näher kennen. 1956 führte Sepp sie zum Traualtar und zog zu ihr auf den Hof. Er gab das Schneidern auf und konzentrierte sich auf die Landwirtschaft. Dabei kam ihm das Wissen  zugute, das er sich in der Fürstenburg angeeignet hatte. Mit seinen Zuchtkalbinnen fuhr er 1959 als einer der ersten Schludernser Züchter zur Versteigerung nach Bozen und erzielte stolze Preise. Pionier war er auch im Obstbau. Mit dem Erlös der Äpfel konnte er schon bald einen Traktor ankaufen. Seine Frau unterstützte ihn, versorgte die fünf Kinder und wirtschaftete sparsam. Mittlerweile war Sepp im Gemeinderat und als SVP-Ortsobmann politisch aktiv geworden. Als solcher stellte er anfangs der 60er Jahre die Weichen für die Ansiedlung der Firma HOPPE. Erstmals begegnete Sepp dem charismatischen Unternehmer Friedrich Hoppe beim „Rösslwirt“, wo er erfolgreich mit ihm verhandelte. „I hon in Speck procht, dr Fritz Hias s` Brot unt dr Wenusch Karl hot in Wein zoolt“, erzählt Sepp. Die HOPPE begann 1965 mit der Produktion und schuf wertvolle Arbeitsplätze. 1969 wurde Sepp Bürgermeister. Er setzte sich für die Bevölkerung ein und bewegte vieles. Sein Lohn war bescheiden und das Amt hatte oft seine Tücken. „Wenn Leit zwiidr tian, hot ma`s nit leicht“, meint er. 21 Jahre bekleidete er das höchste Gemeindeamt, dann zog er sich ins Privatleben und auf den „Wachterhof“ zurück, den die Familie inzwischen bezogen hatte. Sepp übernahm die Betreuung seiner kranken Frau bis sie 1999 starb. Heute umsorgt er seine Tochter, die nach einem epileptischen Anfall zum Sorgenkind geworden ist. „Deswegn bet i jedn Tog, dass i nou long leeb“, bekennt er. Abwechslung verschafft er sich als Gehilfe seines Sohnes. Oft sieht man ihn in den Obstwiesen auf der Schludernser Ebene, wo er einst gehütet hat.

Magdalena Dietl Sapelza

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10 Jahre Erlebnisschule Langtaufers

23. September 2010 Kommentare aus

Einige der vielen Mitarbeiter, durch deren Einsatz die Erlebnisschule überhaupt bestehen kann

Pfarrer Norbert Wilhalm segnete den neuen Spielplatz der Erlebnisschule; Leiter und Koordinator Wolfgang Thöni

Die Erlebnisschule hat sich zu einer sehr wichtigen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Säule für das Langtauferertal entwickelt“, so der Bürgermeister der Gemeinde Graun Heinrich Noggler bei den Feierlichkeiten anlässlich der 10 Jahrfeier am vergangenen Samstag. Die Wichtigkeit der Erlebnisschule zeigte die rege Teilnahme der Bevölkerung und vor allem das Erscheinen zahlreicher Vertreter der Gemeindeverwaltung, der Landesregierung und der Schule an der Feierlichkeit. Nachdem vor 20 Jahren die Grundschule in Grub aufgrund zu geringer Schüleranzahl geschlossen wurde, entwickelte sich nach mehreren Überlegungen die Idee, die Räumlichkeiten für ein spezielles Bildungsprojekt zu nutzen. Durch die finanzielle Unterstützung von Leader und später vom Land konnte die Schule im Herbst 2000 eröffnet werden. Die Leitung und Koordination der Erlebnisschule übernahm der ehemalige Lehrer Wolfgang Thöni aus Langtaufers. Nach einiger Zeit wurde eine zweite Lehrperson, zuerst Zita Paulmichl und später Helga Stecher, vom Unterricht in der Grundschule freigestellt und in der Erlebnisschule beschäftigt. Inzwischen ist die Erlebnisschule Teil des Schulsprengels Graun und wird seit einigen Jahren vom Schulamt finanziell unterstützt. Immer mehr Schulklassen, vorwiegend aus Südtirol aber auch über die Grenzen hinaus, kommen für einige Tage nach Langtaufers. Ein gut durchdachtes Programm, die besondere Naturlandschaft

Mitarbeiter Andreas Fliri und Helga Stecher

und vor allem die Unterbringung auf verschiedenen Bauernhöfen der Umgebung, lassen den Aufenthalt zu einem besonderen Erlebnis werden. Die Kinder und Jugendlichen lernen das Leben auf dem Land kennen und werden für die Arbeitswelt der Bergbauern sensibilisiert. Von fundamentaler Bedeutung für die Erlebnisschule ist dabei der Einsatz von vielen Bauern und Mitarbeitern des Tales. Diese vermitteln den „kleinen Gästen“ einen Einblick über die Haltung von Tieren, Verarbeitung von Milch, Brot backen, Imkerei, Wald und Holz, Klettern, Schneeschuhwandern und Lawinenkunde, Holzschlittenfahren, Filzen und Wollverarbeitung, Geschichte und Kultur der Umgebung. Sonja Saurer, die neue Direktorin des Schulsprengels Graun, bezeichnete die Erlebnisschule nicht nur als großen Gewinn für Langtaufers, sondern auch für die Kinder der heutigen Zeit. Sie betont, dass ihre Besonderheit in einem ganzheitlichen Lernen mit allen Sinnen und durch das

v.l.: Bürgermeister Heinrich Noggler, Schulamtsleiter Peter Höllrigl und Direktor Reinhard Karl Zangerle

aktive Mithelfen vor Ort, liegt.  (sar)

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