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Teile Vinschgaus in der Internet-Steinzeit

Nach den letzten Aussagen der zuständigen Landesräte ist Südtirol im Breitbandzeitalter angelangt. In Wahrheit gibt es allerdings noch einige Schwierigkeiten. Einzelne Orte verfügen noch über gar kein Breitband einige Orte gerade auch im Vinschgau sind zwar mittels Funkinternet „online“, Internetnutzer klagen aber über hohe Kosten, mangelnde Stabilität und mickrige Bandbreiten.

von Bruno Telser

Entwicklungen in den letzten Jahren

2004 erließ die Südtiroler Landesregierung einen Grundsatzbeschluss: Bis zum Jahre 2008 soll das gesamte Land mit Breitbandinternet versorgt werden (95% aller Betriebe mit mehr als 3 Mitarbeitern, 90% aller restlichen Unternehmen und privaten Haushalte). Schon damals war klar, dass die Breitbandanbindung im alpinen Raum einige Tücken mit sich bringt. Großanbieter wie etwa Telecom Italia waren nicht bereit, Breitbandinternet auch für entlegene Gebiete einzurichten. Die Landesregierung bzw. die mit der Thematik befasste Rundfunkanstalt RAS entschied sich für die von Beginn an unter Experten umstrittene Lösung mittels Funkinternet. Seit damals hat sich zwar viel getan, die gewünschten Prozentsätze wurden einige Male leicht abgeändert, 3 Lose mussten ausgeschrieben werden. Der Sollzustand wurde noch immer nicht erreicht. Das erste europaweit ausgeschriebene Los für eine Funklösung für 14 Südtiroler Gemeinden ging an die Mailänder Firma „Linkem“. „Linkem“ erreichte das gewünschte Soll nicht und so musste 2006 erneut eine Ausschreibung gestartet werden. Diese Ausschreibung ging dann an die BB44+, eine Gemeinschaft bestehend aus Brennercom, Raiffeisen Online und RUN (Sparkasse und Raiffeisen). Seitdem ist die BB44+ mit dem Ausbau des Netzes betraut und kassierte bereits Beträge in Millionenhöhe.  Das Netz hätte laut Landesregierung bis August 2008 betriebsbereit sein sollen. Ende 2009 schließlich spricht die Arbeitsgemeinschaft B44+ von einem Erfolg, 90% der Südtiroler Bevölkerung könne mit Breitband surfen. Trotzdem verblieben noch einige Löcher im Breitbandnetz, zudem bietet die Funklösung in vielen Orten eine Bandbreite, die nicht immer als „Breitband“ bezeichnet werden kann. Im Dezember 2009 ließ Landesrat Florian Mussner verlauten, dass „alle Südtiroler Gemeinden mit Breitband versorgt worden sind“, „das primäre Glasfasernetz in den Haupttälern und das sekundäre in den Seitentälern wurde vervollständigt“.

Davon kann jedoch vielerorts keine Rede sein. Viele Internetnutzer in den angesprochenen Seitentälern klagen über schwache Bandbreiten, gar von einer Abzocke, denn die durch das Funkinternet erreichten Bandbreiten, die teilweise gerademal so hoch sind, wie beim längst verjährten Standard ISDN, kosten im Schnitt gleich viel, wie andernorts Verbindungen mit einem Vielfachen an Bandbreite und sind zudem recht instabil. Wie Landesrat Mussner, vor einigen Wochen verlauten ließ, will man nun noch nicht vernetzte Gebiete mit „Hilfe von oben“ – mittels Satellitentechnologie – in den Genuss des schnellen Breitbandinternets kommen lassen, auch soll nun doch das ganze Land bis 2013 mit Glasfaserkabeln vernetzt werden, um höhere Bandbreiten zu erreichen.  Die Kosten dafür liegen abermals bei einigen Millionen Euro.

Zahlreiche Orte in Südtirol und vor allem auch im Vinschgau befinden sich internettechnisch noch in der Steinzeit. Fragwürdige Lösungen der diversen Breitbandanbieter mittels Funkantennen bieten abseits jener Gebiete mit Glasfaserverbindungen meist  für die heutige Zeit nur eine relativ schwache Bandbreite (1-2Mbit/s Höchstleistung) und dies zu einem weit höheren Preis als leitungsgebundenes Internet mit einem Vielfachen an Bandbreite.

Ursprünglich wollte man eine Monopolstellung der Telecom Italia vermeiden, erreicht hat man aber vielerorts, dass durch die mangelnde Kabelanbindung zahlreicher Gemeinden nun eine (fast) Monopolstellung der Gemeinschaft BB44+, sprich der Funkanbieter, entstand, weil nur die Breitbandverbindung über Funk eingerichtet wurde. Bedenkt man, dass der Ausbau des Funknetzes bzw. die komplette Breitbandversorgung mittlerweile einige Millionen gekostet hat und noch kosten wird, stellt sich die Frage, ob es wohl sinnvoller gewesen wäre, direkt in ein weitläufiges Glasfasernetz zu investieren, das nach internationaler Expertenmeinung konkurrenzlos zum Funkinternet steht. Andere Betreiber hätten dann dieses Netz anmieten können wodurch eine für den Endkunden nützliche Konkurrenzsituation entstanden wäre. Durch den großflächigen Ausbau mit kabelgebundenem Internet wäre man auch für die Zukunft gerüstet, denn die rasante Entwicklung des Internetsektors erfordert immer höhere Bandbreiten, sowohl für den Empfang als auch für das Senden von Daten. Anscheinend hat man dies nun verstanden und will in den nächsten Jahren alle Südtiroler in den Genuss einer schnellen Breitbandverbindung kommen lassen, um ein so genanntes „digital divide“ (2-Klassen Internetgesellschaft) zu vermeiden.

Situation im Vinschgau

Im Vinschgau reicht das Glasfasernetz der Telecom Italia nur bis nach Laas, Leerrohre wurden im Zusammenhang mit dem Radwegbau von der Bezirksgemeinschaft durch das ganze Tal verlegt, sind derzeit jedoch nur bis ins Gemeindegebiet von Kastelbell effektiv mit Glasfaserkabeln bestückt, sagt Bezirkspräsident Johann Wallnöfer.

Glück haben im Vinschgau alle Internetnutzer in den Orten der Talsohle unterhalb von Laas, denn bis dort reicht das leitungsgebundene DSL-Netz der Telecom. Bis nach Laas können Internetnutzer auf alle in Italien anbietenden größeren Internetanbieter zurückgreifen und ein für sie günstiges Tarifschema auswählen, die Bandbreite reicht dabei bis zu 7Mbit/s „downstream“ (bit pro Sekunde aus dem Netz) zu einem Durchschnittspreis von ca. 20-30 Euro im Monat.  Ab Laas wird es düster. In Laas selbst besteht noch eine Anbindung an das DSL-Netz der Telecom Italia, im restlichen Gemeindegebiet muss man allerdings schon auf hohe Bandbreiten verzichten, denn in die Nebendörfern wurden keine eigenen Knoten mehr eingerichtet. Die durchschnittliche  Bandbreite ist dort aber im Schnitt immer noch höher als dort wo nur Funkinternet angeboten wird.

Im restlichen, vor allem im oberen Vinschgau bleibt nur die von Linkem, BB44+, Brennercom, Rol oder Run angebotene Funklösung. Dabei gibt es immer wieder Unzulänglichkeiten. Instabile Verbindungen, hohe Latenzen (Verzögerungszeiten), schwache Bandbreiten zu Stoßzeiten (abends) und teilweise ganze Netzausfälle, etwa aufgrund von starken Niederschlägen. Auch ist die Wartung und Einrichtung der Antennen relativ aufwendig. So manchem Kunden ist zudem nicht immer klar, bei welcher Gesellschaft er bei Problemen nachfragen kann. Denn ROL, RUN und Brennercom bieten nicht nur als Gemeinschaft, sondern auch jeweils eigenständig Netzzugänge an und verfügen über unterschiedliche Kundendienstnummern. Sogar das Angebot von Linkem lässt sich noch im Internet finden, allerdings wird dort keine Bandbreite garantiert.

Viele Internetnutzer greifen deshalb auf die Angebote verschiedener Mobilfunkbetreiber zurück, die mittels Internet-Stick über den Mobilfunkstandard UMTS eine hohe  Bandbreite von bis zu 7Mbit/s „downstream“ ermöglichen. Für die UMTS-Umsetzer wurde schon vor Jahren ein Glasfasernetz errichtet. Technisch sicherlich keine schlechtere Lösung als die Anbindung an die Funknetze der genannten Anbieter, allerdings wird die UMTS-Datenübertragung meist in Minuten abgerechnet und kann somit um einiges teurer werden als Funk- oder Kabelbreitbandinternet.

Die Leidtragenden dieser manchenorts prekären Situation sind nicht nur so genannte Internetfreaks, die täglich große Datenmengen aus dem Netz „saugen“, sondern vor allem Betriebe und Unternehmen, die in einer globalisierten Welt auf eine stabile Breitbandverbindung angewiesen sind, um auf dem Markt bestehen zu können.

Bedenkt man, dass beispielsweise beim günstigsten Angebot von BB44+ für private Nutzer für 24,90 Euro (ohne MwSt.) im Monat nur 136Kbit/s „downstream“ (aus dem Netz) und 36Kbit/s „upstream“ (in das Netz)  garantiert werden können, ist dies gerademal etwas höher als der längst verjährte Standard ISDN. Geschäftskunden bezahlen für die günstigsten Angebote bei BB44+ 49,00 Euro (ohne MwSt.) im Monat für eine maximale Bandbreite von 1360Kbit/s up- bzw.  „downstream“ oder 2Mbit/s downstream und 360Kbit/s „upstream“. Im Vergleich dazu kostet beispielsweise die günstigste Variante der Telecom, verfügbar überall dort, wo die Glasfaseranbindung bereits besteht, mit maximal 7Mbit/s downstream und 704Kbit/s upstream derzeit nur 20,00 Euro (ohne MwSt.).

Auch der Tourismus leidet unter dieser Situation. In der heutigen Zeit ist es angemessen, schon allein um eine bestimmte Anzahl an Sternen zu erhalten, den Gästen eine vernünftige Breitbandverbindung anzubieten. Problematisch dabei, dass die teilweise sowieso schwachen Verbindungen im Beispiel eines Hotels noch auf die Gäste, die gerade „online“ sind, aufgeteilt werden und somit pro Gast oft nicht einmal mehr die 56Kbit/s Bandbreite des herkömmlichen analogen Modems übrigbleiben. Ärgerlich für Gäste die nur mal „schnell“ ihre E-Mails abrufen möchten.

Energieaufwand:

Die Funklösung, wie sie vor allem im oberen Vinschgau realisiert wurde, ist auch in punkto Energieeffizienz dem leitungsgebundenem Breitbandnetz unterlegen. Leitungsgebundenes Internet wird durch optische Signale im Glasfaserkabel beziehungsweise Kupferkabel eingerichtet, der Energieaufwand liegt dabei meist im Milliwattbereich. Im Gegenzug dazu benötigt die Verbindung beim Funkinternet zwischen Umsetzer und Hausantenne, mit der derzeit gängigen Hardware, meist „BreezeACCESS VL“ der Firma Alvarion oder ähnliche Produkte ca. 65 Watt pro Verbindung. Pro Tag sind dies also ca. 1,5 kWh für nur eine Verbindung. Multiplizert man diesen Betrag mit 365 Tagen im Jahr entsteht ein potenzieller Energieverbrauch von ca. 550 kWh für nur eine Verbindung. Auf längere Sicht ist Funkinternet also nicht energieeffizient, nicht kostengünstig und nicht zukunftsorientiert.

Breitband beschreibt die schnelle Datenübertragung im Internet, in Sende- als auch in Empfangsrichtung. Die Geschwindigkeit der Datenübertragung wird dabei in bit/s (Bit pro Sekunde) gemessen. Die allgemeine Definition von Breitband ist nach OECD  256kbit/s und sogar 2Mbit/s nach internationaler Fernmeldeunion. Breitbandinternet kann entweder leitungsgebunden oder drahtlos realisiert werden. Spricht man von Breitband fällt meist der Begriff „DSL“.

DSL (Digital Subscriber Line) beschreibt, wie der Name schon sagt, eine Reihe von digitalen Übertragungsstandards im Unterschied zum herkömmlichen Telefonsignal, das analog übertragen wird.

  • Leitungsgebundene Übertragung:
  • – Optisches Signal und/oder Kupferleitung
  • – Lange Strecken mit Glasfaser zu Kno- tenpunkten, Kupfer oder Glasfaserver- bindung bis zum Endkunden
  • – Ab Knotenpunkt ca. 2-3km mit Kupfer-
  • kabel ohne großen Verlust für ca. 100- 200 Anschlüsse
  • – Kaum störungsanfällig
  • – Aktuelle Glasfaserverbindungen aus-
  • baubar bis 4Gbit/s mit „fiber to home“ sogar bis zum Endkunden
  • – Niedrige Latenzen (Verzögerungen zwi- schen Sender und/oder Empfänger)
  • – Sehr niedrige Strahlenbelastung
  • – Leistungsfähig und zuverlässig
  • – Gutes Preis/Leistungsverhältnis

  • Funkübertragung:

  • – Funksignal mittels Antennen, Sichtkon- takt für optimale Übertragung nötig
  • – Störungsanfällig durch Wetter, hoher Verlust von Kapazität durch Hindernisse wie etwa Bäume
  • – Aufwendige Einrichtung in Berggebieten
  • – mit WLAN Reichweite des Funk-Knoten- punktes einige 100m, WiMAX einige km
  • – relativ hoher Energieaufwand,
  • ca. 65 Watt nötig für Verbindung Kno- ten/Hausantenne
  • – mäßige Strahlenbelastung
  • – hohe Latenzen
  • – Unzuverlässig
  • – Derzeit häufig Schwaches Preis/Lei- stungsverhältniss
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  1. 24. Dezember 2013 um 09:50

    Der Artikel ist zwar schon etwas älter aber ich denke es ist doch erwähnenswert, dass mit EOLO endlich auch im Vinschgau eine wirkliches Breitband zur Verfügung steht.
    Es wäre interessant nun fast 4 Jahre später einen das Thema Breitband im Vinschgau noch einmal neu zu durchleuchten.

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