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Posts Tagged ‘Schlinig’

Wir sind Fraktionisten

33 Fraktionen, die von einem Komitee verwaltet werden, gibt es zwischen dem Reschen und der Töll. Sie hüten Gemeinnutzungsrechte, die aus dem Mittelalter stammen und heute allen Bürgern zustehen. Ursprünglich ging es um Holz, Weide und Almen. Die Zeiten ändern sich und sie ändern sich rasch: Marmorbrüche, intensiv genutzte ehemalige Weiden und jüngst der Appetit auf satte Erlöse aus der Stromwirtschaft katapultieren die Fraktionen in die Neuzeit. Neuwahlen dieser Komitees stehen demnächst an.

von Erwin Bernhart

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„Singen isch mai Freid!“

24. Februar 2011 Kommentare aus

Margaretha Angerer, Schlinig: „Wenn i alloan bin, sing i a fir miar selber!

Hon ollm an Spicker und a Ballele in Sock kett,  dassi spielen hon kennt!“ so erzählt Frau Gretl Warger Angerer, von der ganzen Familie liebevoll „Mutti“ genannt mit leuchtenden Augen aus ihren Kindertagen. Aufgewachsen ist die am 01. Juli 1931 geborene, in „Arlund“ bei Graun. Als fünftes von dreizehn Kindern ging sie ihrer Mutter Rosa schon in Kindertagen zur Hand. Mit drei Jahren besuchte sie den italienischen Kindergarten. „Viva il Duce e viva il Mussolini“ sagt sie kopfschüttelnd.  Verstanden hat sie die italienischsprachige „Signora“ anfangs nicht „A gonz a liabe, feine Frau isch die Tante gwees´n!“. Heute noch kennt sie lange italienische Gedichte und Lieder auswendig. Auf dem Schulweg von „Arlund“ nach Graun hat sie mit dem jüngeren Bruder Paul immer ein Wettrennen gemacht. Die schneereichen Winternachmittage verbrachte sie mit ihren Geschwistern beim Schlittenfahren. Die Chorprobe, einmal in der Woche, und die musikalische Begleitung der Messe waren schon zu Kinderzeiten ihr liebstes Hobby. „Singen isch mai Freid!“ Nach dem Besuch der Pflichtschule blieb sie am elterlichen Hof, ging ihrer Mutter zur Hand, wo immer Hilfe gebraucht wurde. Besonders gern besuchte sie ihren „Vetter Sepp“ in Mals. „ In Russlond tuat´s heint nou hoamalen!“ Dem alleinstehenden Onkel machte sie den Haushalt, kochte, putzte und waschte für ihn. Da er Schneider war, machte er sie mit dem Umgang von Nadel und Faden vertraut. Die Leidenschaft zur Handarbeit wurde geweckt. Bei der Seestauung im Frühjahr 1950 viel der „Arlund-Hof“ den Wasserfluten zum Opfer. Die Familie Warger wanderte nach Schlinig aus. „Liaber zehnmol af Matsch inni, lai nit noch Schlinig!“ wer laut ruft…. Margaretha arbeitete zu dieser Zeit als Dirn beim Garber in Mals, freie Tage gab es keine. Das Vieh und die Kinder, der Haushalt nahmen ihre Zeit in Anspruch. So nutzte sie im Juni den Almauftrieb der Schweine auf die Höferalm, um dem neuen Zuhause im Bergdorf einen Besuch abzustatten. Durch den Wald ging sie in Richtung Schlinig. Bereits von oben erkannte sie den Leiterwagen der Familie. „Freid hobmer olle koane kett, dahoam seimer et gwees´n!“ Beim Sonntagsspaziergang lernte sie ihren Mann Johann Angerer kennen. Am 28. Oktober 1953 gaben sie sich in der St. Anna und Antoniuskirche in Schlinig das Ja-Wort. Die Hochzeit feierten sie in der Stube am „Jonnenhof“ gemeinsam mit Eltern und Geschwistern, bei einem einfachen Mahl. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar per Ross und Zug an einem Tag zum Wallfahrtsort „Maria Trens“ im Eisacktal. Spätabends kamen sie zurück, der erste Schnee erwartete sie bereits auf dem Heimweg. Zuhause angekommen, musste sie den Dachboden von den schweren Lasten des Schnees befreien „Siebem Schafflen Schnee hon i fa dr Dill oartrogn!“ Die ärmliche Behausung, der Regen tropfte bis auf das Bett, kein Klo, kein fließendes Wasser, die Küche ohne Tageslicht, in der Stube keine Sonne machte „Mutti“ zu schaffen. Gretl schenkte ihrem Hans die Kinder Lina, Monika, Emma, Klara, Kreszenz, Veit und Annemarie. Fünf weitere Babys hat der „Herrgott“ aus der Wiege geholt. Die viermonatige Erika ist an Lungenentzündung gestorben „sell isch so a liabs Poppele gwees´n!“ Der Besuch der Hl. Messe, das Singen und Vorbeten gaben ihr immer wieder Kraft, auch die Geschicke am Hof zu leiten. Auf den strengen, steilen Bergwiesen packte Gretl an wie ein Mann, keine Arbeit war ihr zu viel. Die Familie lebte als Selbstversorger im Bergdorf. Auf den Äckern wurde Getreide angebaut, eine kleine Mühle gehörte zum „Jonnenhof“. Alle zwei Monate wurde frisches Brot gebacken. Die Milch der Kühe verarbeitete sie  zu Butter, Joghurt und Käse. Am 01. Februar 1977 durfte sie das erste Mal „Milchschütten“, die Milch verkaufen.  Endlich kam ein bisschen Geld in die leere Haushaltskasse „und´s Kibltreibm hon i mr a drsport!“ 1980 konnte die Familie die Kühe in den neuen Stall bringen, in das neue Wohnhaus mit mehreren Ferienwohnungen zogen sie 1988. Im Winter war in Schlinig der Langlaufsport immer schon präsent, so liefen alle Kinder mit den Langlaufski´s. Unzählige Medaillen und Pokale zieren die Stube „Af dia bin i stolz, di leuchtende Kinderaugen, wenn si mit an Plalli hoamkemmen sein, sein wunderbar gwees´n!“ Begleiten konnte sie die Kinder nicht zu den Langlaufrennen, galt es doch die Tiere zu versorgen. So widmete sie sich an den einsamen Sonntagen einer Handarbeit. Wahre Schmuckstücke an gehäckelten Vorhängen, bestickten Polstern und Decken sind so entstanden. Der Familienzusammenhalt war „Mutti“ immer wichtig, die Kinder, 14 Enkel und 5 Urenkel kommen gern af an Ratscher vorbei, große Festtage wie Weihnachten und Ostern werden zusammengefeiert. Als Vorbeterin und Vorsängerin hat sie immer einen wichtigen Beitrag zum Gottesdienst geleistet, so schenkte ihr Pater Peter vom Kloster Marienberg als Anerkennung eine Holzstatue der Hl. Cäcilia, welche sie hoch in Ehren hat. Stricken ist eine große Leidenschaft der Seniorin, so versorgt sie vor allem die Enkelkinder mit Selbstgestricktem. Mit traurigen Augen erzählt sie von den „Grauner Banklhuckern“, diese Art der Nachbarschaftspflege gibt es in Schlinig nicht. „Irgendwia geat do jeder sein Weg-schod!“

Brigitte Thoma

 

 

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Drehtag in der obervinschger Bergwelt

12. August 2010 Kommentare aus

Nach dem Drehtag mit Harry Prünster (links) auf der Oberetteshütte

Am Montag und Dienstag vor einer Woche drehte ein Filmteam des ORF auf der Oberettes-, Plantapatsch-, und Sesvennahütte. Die Crew um Harry Prünster machte sich auf die Suche nach „Harrys liabste Hütt’n“, wie die gleichnamige beliebte Fernsehsendung heißt.

Mit Regisseurin Lisa Braune, Kameramann und Tontechniker machte sich Harry am Montag morgen auf den Weg zur Oberetteshütte im Matschertal. Wie der Moderator später zugab, war es die erste Hütte von über 700, die er „per pedes“ besuchen musste, was dem Tiroler weniger Kummer bereitete als seiner Wiener Regisseurin.

Ziel der Sendung ist es, die jeweiligen Hütten und ihre Umgebung vorzustellen und ein wenig in das Hüttenleben einzutauchen. Auch einen Blick in Küche und Pfannen und dann einen „Koster“ für Harry ist in jeder Sendung und auf jeder Hütte wichtig. Und natürlich sollten die Wirte und Wirtinnen ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern.

Auch für die Hüttencrews bedeuteten die Drehtage Abwechslung in ihrem Alltag in der Höhe und mancher Gast staunte nicht schlecht, als Licht, Ton und Kamera in den Stuben und auf den Terrassen aufgebaut wurden und die Hüttenwirte zwei, drei oder gar vier Mal ihren Part, auf Kommando von Lisa, wiederholen mussten.

Am Dienstag ging’s dann weiter zum Kloster Marienberg, zur Plantapatschhütte auf dem Watles und dann zur Sesvennahütte im Schlinigertal. Perfekt organisiert und begleitet wurde der Dreh vom Tourismusverein Obervinschgau.

Sendetermin für alle Neugierigen ist der 22. August 2010, 16.30 Uhr im ORF2 wo man Harry wird sagen hören: „Ein einzigartiges Hochtal- das Landschaftsbild geprägt von mächtigen Burgen und Klöstern, kleinen, ursprünglichen Dörfern und unberührter Bergwelt: Ich bin hier im Obervinschgau…“ (r)

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„So schmecken die Berge“ auf der Sesvennahütte

12. August 2010 Kommentare aus

Sichtlich zufrieden v.l.: Hüttenwirt Andreas Pobitzer, AVS-Vorsitzender Georg Simeoni, Natur- und Umweltreferent Markus Breitenberger, Mitglieder des Natur- und Umweltausschusses: Judith Egger, Christian Kaufmann und Klaus Bliem

Was sich auf den Schutzhütten des deutschen und österreichischen Alpenvereins bereits bestens bewährt hat, soll nun auch auf Südtirols AVS-Schutzhütten Eingang finden. Der Alpenverein Südtirol hat ein Projekt gestartet, um Produkte aus der heimischen Landwirtschaft vermehrt auf den Speisekarten der Schutzhütten anzubieten und ein Zeichen für die Wertschätzung der Arbeit der Bauern als Produzenten und zur Erhaltung der Kulturlandschaft zu setzen. Natürlich geht es den teilnehmenden Hüttenwirten der Sesvenna-, Oberettes-, Schlernbödele-, Radlsee-, Tiefrasten-, Rieserferner- und Dreischusterhütte auch darum, den Wanderern qualitativ hochwertige Verpflegung anzubieten. Die Wirte haben sich dazu bereit erklärt, über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren verstärkt Produkte aus der regionalen Landwirtschaft anzubieten und möglichst regionaltypische Speisen zuzubereiten. Andreas Pobitzer, Wirt der Sesvennahütte, war der erste Schutzhüttenpächter, der sich bereit erklärt hat bei „So schmecken die Berge“ mitzumachen. Er selbst und seine Mitarbeiter informieren die Gäste darüber, für welches Tagesgericht hauptsächlich regionale Produkte verwendet werden. Ob Hirschbraten aus heimischem Wildfleisch, Käse- und Speckbrettl mit Brot vom Laatscher Bäcker oder Rindsgulasch vom Laugenrind, alles wird mit Liebe zubereitet und ist wohlschmeckend. Auch bei den Getränken wird auf Regionaltypisches gesetzt: selbst gemachter Holundersaft oder Apfelsaft vom Bauern, Matscher Bergkräutertee aus kontrolliert biologischem Anbau, Südtiroler Spitzenweine und zur Verdauung natürlich ein selbst „Gebrannter“. Davon konnte sich eine Delegation des AVS bei einem Besuch überzeugen und freute sich darüber, dass das Kampagnenlogo „So schmecken die Berge“ nicht nur an der Hütte angebracht, sondern auch mit Überzeugung umgesetzt wird. (lu)

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Uina & Lorenzi

29. Juli 2010 Kommentare aus

Uinaschlucht

Vor hundert Jahre wurde der gewaltige Felsweg durch die Uina Schlucht fertig gestellt; damit wurde das schweizerische Uinatal und das Südtiroler Schlinigtal „kurz“ geschlossen. Engadiner und Vinschgauer feierten am 11.Juli 2010 auf dem Hof Dadaint die Vollendung dieses gemeinsam geplanten und finanzierten, in Schwindel erregende Felswände gemeißelten Bauwerkes. Festredner lobten die freundschaftlich Grenzüberrschreitung, die Vizebürgermeisterin von Mals überreichte dem Gemeindepräsidenten von Sent ein Nachbarschaftsgeschenkt, eine Flasche Vinschgauer Schnaps.

Ein paar Tage später wurde in Naturns Korn geschnitten, bei der Lorenzikirche auf dem alten Weg zwischen Staben und Tschirland. Die Ruinen dieser Kirche und eines Wohnhauses geben allerhand Rätsel auf: Römische Station? Ein mittelalterliches Hospiz? Eine Urkirche der umliegenden Dörfer? Der heilige Laurentius gehört zu den ältesten Patrozinien. Jedenfalls wird jetzt hier, mitten im Tal zwischen überwuchernden Obstanlagen, Korn angebaut und zwar auf Initiative des Heimatpflegevereins Naturns. Nicht nur Roggen, auch Weizen, Gerste und Wein werden hier nach alter Überlieferung gesät und mit alten Geräten bearbeitet. Den Radfahrern, die hier in großer Zahl vorbeifahren, gibt es einen „Riss“. Sie halten an, schauen verwundert auf die Kornhocker und glauben sich in eine andere Zeit, in eine anderen Welt versetzt.

In eine andere Welt führt uns auch der Weg durch die Uina Schlucht.

Langsam und regelmäßig ansteigend, bietet die felsüberdachte Galerie immerhin Platz für Wanderer und sogar für Mountainbiker, die hier allerdings absteigen müssen, wollen sie nicht unsanft in die Tiefe stürzen. Die Wegsicherungen müssen wegen herabstürzender Felsbrocken und Lawinen immer wieder ausgebessert und neu gesichert werden. Besonders hartnäckige Stellen werden durch Tunnels entschärft: Sich aus der feuchtschwarzen Finsternis herausarbeitend,  fühlt sich der Wanderer immer wieder wie neu geboren.

Nach dem Durchschreiten der Schlucht öffnet sich in Richtung Schlinigpass (2311m) das Tal mit den großen, Sursass genannten Almböden, die nach alter Tradition von den Malsern genutzt werden. Hier befindet sich die kaum noch wahrnehmbare Schweizer Staatsgrenze. Der Weg führt weiter in Richtung Sesvenna Schutzhaus und zur alten Pforzheimer Hütte, die erst kürzlich von Heimatpflegern vor dem Abbruch bewahrt wurde und jetzt unter Denkmalschutz steht. Praalba, Planbell, Fontanes… zahllose Flurnamen, die meisten mit rätoromanischer Wurzel. Auch der Name Uina wird vom lateinischn Wort für Schaf, von“ovinus“ abgeleitet. In „Schlinig“ steckt das vorrömische Wort SALA für Bach und verwandelt sich im Laufe der Jahrhunderte in SLINICA.

Eine alte Alpenüberquerung ist auch das Schnalstal, das ebenfalls in einer Schlucht endet, durch die jetzt ein langer Tunnel geschlagen wurde. Am Talende liegt der Steghof, was auf eine schmale Etschbrücke hinweisen dürfte. Über sie erreichten einst die Wanderer das Hospiz bei der Lorenzikirche.

Und auch hier bilden wieder Ortsnamen eine Brücke in die rätische Vergangenheit: Staben entsteht aus lateinisch STABULUM für Stall und Tschirland wird vom lateinischen Personennamen CERNIUS abgeleitet. Über zahllose Flur und Eigennamen sind wir immer noch über Grenzen und Zeiten hinweg verbunden, still und friedlich.

Hans Wielander

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