Berge und Gletscher im Vinschgau

Watles

Sanfter Berg mit herrlichen Aussichten

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Der Watles ist ein Berg mit herrlicher Aussicht (Karte: Tappeiner Verlag)

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Schroff, hoch, unzugänglich, gefährlich: Zu dieser Art von Bergen gehört er nicht, der Watles, der Hausberg der Burgeiser und der Amberger, der Hausberg der Gemeinde Mals. Sanft ist er, einladend, leicht bezwingbar. Natürlich mit gutem Schuhwerk, aber auch für Kinder geeignet. Eines hat er mit den großen Bergen, die ihn umrahmen, gemeinsam: ein unvergleichliches und unvergessliches Panorama. Im Süden winkt der Ortler, der schwer an seiner Gletscherlast zu tragen hat, von seinen Satelliten umgeben. Ein bei blauem Himmel herrliches Farbenspiel. Tatsächlich schroff steht die Gruppe um die Tschenglser Hochwand links vom Ortler und weist den bis dahin in Nord-Süd-Achse verlaufenden  Vinschgau stolz in Richtung Osten. Die Weißkugel ragt im Osten aus den Spitzen der Ötztaler Alpen heraus. Im Nordwesten gibt das „Engadiner Fenster“ als besondere geologische Formation den Blick in die Unterschichten der Alpen frei.

Ausflugsziel kann auch die Sesvenna-hütte sein

Damit der Genuss des Weitblickes mitten in den Alpen nicht mit Schweiß, Herzklopfen und wunden Füßen erkauft werden muss, dafür sorgt auch der Sessellift, der ein Stück weit einen bequemen Zugang zulässt. Von der Bergstation aus, von der Plantapatschhütte, gestattet der sanfte Watleshügel mehrere lohnende Wanderungen. Das Ziel Watlesspitze selbst ist eine davon. Eine andere ist der Höhenweg, der zur Sesvennahütte führt. An der südwestseitigen Flanke führt dieser abwechslungsreiche Weg durch Almrosen, vorbei an Kiefern, durch Almweiden dann hinunter ins Schlinigertal. Wer von der Sesveannahütte weiter gehen will, besucht die Uinaschlucht, die auf Schweizer Territorium damalige Schmugglerpfade offenlegt.

Noch etwas kann rund um den Watles erlebt werden. Wer sich in die Namen auf den Wegschildern vertieft, schlittert unweigerlich in ein geschichtliches Zeitfenster. „Plantapatsch“, „Sesvenna“, „Watles“, „Uina“, es gibt noch viele Beispiele von Flur- und Bergnamen, die auf eine Zeit verweisen, in der im oberen Vinschgau rätoromanisch gesprochen worden ist. Die Römer haben das Gebiet unserer Vorfahren „raetia“ genannt, die Einwohner „Raeter“. Rätische Flurnamen auch rund um den Watles weisen darauf zurück.

Erwin Bernhart

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Meine erste Begegnung mit dem Schnalstaler Gletscher fand relativ bequem mit einer Pistenraupe, dem „Ötzi Express“ statt. Wir erkundeten den Hochjochferner und wer wollte, konnte sich auch eine Gletscherspalte von innen ansehen. Die Farbe des Eises und die endlos scheinenden Spalten hatten mich so fasziniert, dass ich mir für das nächste Mal vorgenommen hatte, mir Ötzi’s Fundstelle selbst anzuschauen. Wenn vor 5300 Jahren jemand das mit Fellschuhen geschafft hatte, auf diese Höhe zu steigen, sollte es mir als gebürtige Flachlandtirolerin mit moderner Ausrüstung und mit Hilfe eines verständigen Bergführers vielleicht doch auch gelingen.

Meine Bedenken hinsichtlich Bergtauglichkeit konnte der nette Bergführer am Telefon beruhigen: „Gut laufen musst halt können … und net arg schwindeln …“ Also meldete ich mich mutig an und in dieser Nacht habe ich nicht viel geschlafen, denn in aller Herrgottsfrühe wurde ich bereits am Hotel abgeholt. Eine halbe Stunde später wurden – nach der Schuh- und Ausrüstungskontrolle auf ihre Bergtauglichkeit – uns die Gurte angelegt, wobei Bergführer Robert immer einen lockeren Spruch „beim Anfassen der Damen“ auf den Lippen hatte. Die Fahrt mit der Gletscherbahn von Kurzras nach oben bot uns etwas Besonderes: Steinböcke zum Greifen nahe standen in der Nähe der Stütze und schauten uns gelangweilt zu, wie wir in sechs Minuten nach oben auf 3200 Meter schwebten.

Oben angekommen, genossen wir erst einmal ein paar Minuten den

die Pyramide unterhalb der Fundstelle von „Ötzi“

Ausblick bei klarem Wetter bis zum Ortler, in die Dolomiten und hinüber ins Ötztal und schauten den ersten Skifahrern bei ihren Schwüngen zu. Angeseilt und gesichert ging unser kleines Grüppchen los. Robert jetzt plötzlich ganz anders: konzentriert und bestimmt, aber immer ganz freundlich. Wir erfuhren nicht nur Interessantes über das Verhalten am Gletscher,  sondern viel Wissenswertes aus der Glaziologie, der Lehre vom Eis auf der Erde. Aber auch manche Geschichte aus Roberts Bergführerleben durfte natürlich nicht fehlen. Wenn es etwas ans Klettern ging, beruhigte er meine zarten Nerven und gab gute Tipps. Nach etwa drei Stunden hatten wir die Fundstelle erreicht. Hier lag er also die ganze Zeit am Tisenjoch. Heute steht hier eine steinerne Pyramide, die weithin sichtbar ist.

Nach einer kurzen Pause ging es weiter zur Similaunhütte, um bei einer zünftigen Jause die müden Beine zu entspannen. Wir hatten Glück und der Hüttenwirt Markus hatte etwas Zeit und erzählte uns, was an dem Tag, als der „Mann im Eis“ gefunden wurde, geschah. Das Ehepaar Simon hatte ihn verständigt und somit war er der Dritte, der die Gletschermumie sah. Aber viel Zeit zum Plaudern hatten wir nicht, dann ging es an den Abstieg. Zuerst genossen wir noch den Blick zum Similaun, den Berg mit der Dreiecksform, der mit seinen 3600 Metern direkt vor uns lag.  Hinab ging es in steilen Serpentinen ins langgestreckte Tisental auf dem Weg der Schafe, die jährlich hier über das Joch ins österreichische Ötztal auf die Sommerweiden ziehen. Den See, der wie ein Smaragd auf der Talsohle liegt und unser Ziel ist, hatten wir immer im Blick. Unten angekommen standen wie gemalt zwei Bänke, die unsere müden Knochen entlasteten. Es war geschafft. Zwar war es ein anstrengender Tag, aber diese  herrlichen Bilder im Kopf kann einem niemand mehr wegnehmen.

Elke Wasmund