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„Man muss den Mut für Reorganisation haben“

8. April 2010



Vinschgerwind Titel 7-10

Karfreitag vormittag: Bei einem Kaffee im Gasthof „Rössl“ in Rabland spricht LH Luis Durnwalder mit dem „Vinschgerwind“ über seine Nachfolgespekulationen, darüber, „dass man nie weiß, was in der Politik passieren wird“, über die Verkehrsdebatte im Vinschgau, über mögliche Fusionen von Skigebieten, über eine Reorganisation bei den Tourismusverbänden und über den Vinschger Stromkrieg.

Interview: Erwin Bernhart

Fotos: Angelika Ploner

Vinschgerwind: Herr Landeshauptmann, größtes Vergnügen bereitet es Ihnen Spekulationen über Ihre Nachfolge in die Welt zu setzen. Wir sind beleidigt.

Luis Durnwalder: Nicht ich setze die Spekulationen in die Welt, sondern andere Leute. Ich sage, Leute gibt es in Hülle und Fülle, die die Voraussetzungen hätten, um Nachfolger zu werden. Ich nenne nur die Leute, die von den anderen genannt werden. Ich hab kein Recht meinen Nachfolger zu bestimmen. Selbstverständlich hätte ich meine Präferenzen, aber die muss man hintanhalten. Dass Spekulationen entstehen, wenn jemand sagt, ich kandidiere das letzte Mal, ist ganz natürlich und ich möchte hier sicher kein Spiel betreiben in der Form, dass ich Leute verbrennen möchte.

Beleidigt sind wir deshalb, weil kein Vinschger auf Ihrer Nachfolgerliste steht. Die Vinschger gehören nicht zu Ihren politischen Ziehsöhnen?

Es ist so, dass jeder zu meinem politischen Ziehsohn gehört, soweit er will und zusammenarbeitet in der Form, dass ich ihn besser kenne und die Möglichkeit habe, mit ihm zu arbeiten. In Latsch – und diese Gemeinde gehört wohl bekanntlich zum Vinschgau –  gibt es derzeit Leute, die eine sehr hohe Funktion in der Partei innehaben und ich glaub gerade diese Leute hätten alle Voraussetzungen auch die Nachfolge anzutreten, so wie auch viele andere. Ich habe sogar unter den ersten den Doktor Theiner, den ich schätze und in der Zwischenzeit sehr gut kenne, genannt. Aber letzten Endes entscheidet die Partei und die Basis, wer Nachfolger wird.

Und wenn wir uns zwischen der Töll und Latsch bewegen?

Es gibt überall fähige Leute.

Herr Landeshauptmann, treten Sie frühzeitig zurück…

… oder kandidieren Sie noch einmal? Ich bin bis 2013 gewählt und bin überzeugt, man sollte Aufträge, die man übernommen hat, auch ausführen. Denn ich habe keinem Wähler gesagt, dass ich nur für zwei, drei Jahre kandidiere, wählt’s mich nur für zwei, drei Jahre, sondern ich habe gesagt, ich wäre bereit bis 2013 die Geschicke, soweit ich die Möglichkeiten und Fähigkeiten habe, mit zu beeinflussen.

Und zu Ihrer eigenen Frage?

Ich habe gesagt, ich werde 2013 nicht mehr antreten, aber man weiß in der Politik ja nie, was alles passiert.

Derzeit ist die Verkehrsdiskussion im oberen Vinschgau wieder voll entbrannt. Wird Luis Durnwalder das Band für die

LH Luis Durnwalder: „Verlieren die Gemeinden mit dem Rekurs, gilt für sie das Angebot einer 20-Prozent-Beteiligung an der SEL-Holding nicht mehr.“

große Umfahrung Prad – Mals durchschneiden?

Ich hoffe, dass ich da noch am Leben bin. Sicher nicht mehr als Landeshauptmann. Sie wissen ja, dass man drei große Projekte hat, die viel Geld kosten. Eines ist die Umfahrung Rabland, das zweite ist die Umfahrung von Kastelbell und die dritte ist die Umfahrung von Tartsch. Da hat man oft den Eindruck, dass für die Leute Geld oft kein Begriff ist. Zuerst hat man gesagt, man soll Tartsch umfahren, dann hat’s geheißen – nein, dann kommt man wieder vor Mals heraus. Und deswegen soll man jetzt hergehen und auch Mals untertunneln.

Tartsch und Mals untertunneln und dann beim Garberhof wieder hinaus?

Ja, solche Ideen gibt’s auch. Das heißt die Fantasie kennt da auch keine Grenzen.

Welche Fantasie hat da der Landeshauptmann?

Ich sag so, jetzt warten wir einmal, bis sich alle einig sind, denn bisher haben wir es immer mit Protesten zu tun gehabt. Auch Wirtschaftskreise haben sich teilweise dagegen ausgesprochen. Deswegen warten wir jetzt, bis alle einmal wollen und dann werden wir die Projekte abspecken müssen und schauen, ob es Möglichkeiten gibt mit den in dieser Zeit vorhandenen Geldmitteln, die Projekte zu finanzieren. Es gibt eine Rangordnung, wo Projekte um fast 1.000 Millionen Euro aufliegen. Wir haben maximal 100 Millionen für neue Straßen im Jahr, das heißt, dass es sehr schwierig ist, alte Projekte herauszunehmen und neue hineinzunehmen. 10 Jahre ist bereits alles voll.

Auch für Kastelbell?

In Kastelbell hat man Vorschläge für 60 Millionen, dann 70 Millionen Euro gehabt. Ich hab dann gesagt, ihr müsst’s auf die 40 Millionen Euro zurück.

Was ist in Kastelbell der aktuelle Stand?

Man ist dabei, das Projekt zu überprüfen. Ich bin aber der Meinung, dass dies ein Projekt ist, das sicher einen gewissen Vorrang verdient. Was Tartsch und Mals anbelangt, da wird man ein einfacheres Projekt machen müssen und Rabland wird auch nicht in den nächsten 10 Jahren in Angriff genommen werden, weil einfach die Geldmittel fehlen. Parallel haben wir aber  in  den Seitentälern beachtliche Geldmittel ausgegeben. Denken wir an Schnals oder auch an Sulden, an die Einfahrt von Latsch oder auch was Goldrain betrifft. Kleinere Projekte werden sicher auch in Zukunft parallel gemacht werden. Außerdem haben wir die Bahn gebaut, die viel gekostet hat. Die Bahn ist was Wunderbares geworden und ich hab auch hier immer gesagt, die Bahn wird gemacht, wenn sie die Vinschger wollen. Nach einem Hin und Her, ist uns ein Ja signalisiert worden, dann haben wir sie auch gemacht. Die Bahn ist sicher ein Erfolgsmodell, wenn ich auch sage, wir haben jedes Jahr 4 – 5 Millionen Euro Defizit.

Werden die Tarife erhöht in nächster Zeit?

Die Vinschger Bahn wird es wahrscheinlich am wenigsten spüren, weil die hat schon angemessenere Tarife. Da gibt es andere, wo wir nachhelfen müssen, denn, dass einer mit 90 Cent von Innichen bis nach Bozen fährt, das ist sicher zu billig und wir sind auch auf Staatsebene – was die Fahrpreise angeht – ganz die Letzten. Eine Anpassung wird es hier geben müssen. Aber da kommt das nächste Projekt, wo es heißt, der Durnwalder will nicht:  bei der Weiterführung bis ins Engadin. Diese kostet ungefähr 1 Milliarde Euro, und die Schweiz sagt, wir haben derzeit keinen Cent. Das heißt, wir werden das Projekt nicht auf die Seite legen, sehr wohl aber schauen, ob es eine billigere Möglichkeit gibt. Das heißt, nicht verwerfen, wohl aber begleiten.

Stichwort Schipisten. Sie werden nicht müde, Zusammenschlüsse von Schigebieten zu fordern. Wie jüngst auf Schöneben. Was hat Reschen, was hat St. Valentin und was hat Langtaufers von einem Zusammenschluss?

Zusammenschluss heißt nicht, dass es eine Fusion sein muss. Zusammenschluss kann auch verschiedene Formen der Zusammenarbeit bedeuten.

Die gibt es doch schon.

Ja, aber die müssen verbessert werden, weil sie nicht 100prozentig funktionieren. Ich sage, im Vinschgau muss es eine Flurbereinigung geben. Im Vinschgau muss man den Mut haben, sich zusammenzusetzen und zu überlegen, was machen wir mit dem Wintertourismus, was brauchen wir, was ist realistisch, wie können wir alle an einem Band ziehen. Im Vinschgau kann der Wintertourismus und auch der Sommertourismus noch weit ausgebaut werden.

Wenn Sie sagen, Flurbereinigung, haben Sie konkrete Gedanken?

Ja, wir haben Schnals, da wissen wir, die Gletscher gehen zurück und Schnals wird sich an eine neue Situation anpassen müssen. Wir haben Latsch, da hat ein gewisser Ausländer allen schön vorgeredet und in Latsch hat man Halleluja, Halleluja gesungen, man hat ihn angebetet, zu mir gebracht und war beleidigt, wenn ich gesagt hab, passt’s auf, ich habe meine Bedenken. Jetzt erst sieht man ein, dass der auch nicht das Wahre gewesen ist. Latsch muss geklärt werden. Dann Sulden und Trafoi, da muss man eine  Einigung finden. Es geht nicht, dass man Sulden ausbaut und Trafoi ausbaut und beide alles getrennt tun. Da wird man gemeinsam arbeiten und auch das Stilfser Joch einbeziehen müssen. Auch in den Gebieten Watles, Haideralm und Schöneben muss man schauen, was kann man zusammenschließen, was kann man ergänzen?

Können Sie sich vorstellen, dass sich der Watles mit St. Valentin, mit Schöneben auch skitechnisch zusammenschließt?

Da hab ich meine Bedenken, ob das wirtschaftlich und umweltverträglich zusammengeschlossen werden kann. Wohl aber ist, das haben wir ja schon beschlossen, eine Verbindung zwischen Haideralm und Schöneben möglich. Die Gesellschafter müssen jetzt selber entscheiden, ob man die Gesellschaften fusionieren will. Ich wäre sehr dafür, hab aber auch Verständnis, wenn Schöneben Angst hat, krank zu werden.  Eine Form der Zusammenarbeit muss es aber geben.

Zwischen HGV und anderen Tourismustreibenden scheinen große Risse in der Frage der Vermarktung nach außen zu entstehen. Haben die Tourismusverbände ausgedient?

Nein. Ich bin aber der Meinung, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben, in der EU, die Verkehrssituation, Krisenstimmung, der Osten. Zwei Änderungen wird es geben: Man wird sich fragen müssen, was wir im eigenen Land an Voraussetzungen haben, sind wir für andere Gebiete und Zielgruppen attraktiv. Und zum Zweiten wird man sich fragen müssen, ob die Tourismusbranche vor allem auf Deutschland setzen soll. Neue Märkte sind zu erschließen. Da wird man neue Werbekonzepte brauchen. Und dann wird man fragen müssen, ob es richtig ist, dass wir in jedem Dorf einen Tourismusverein brauchen.

Steht eine Flurbereinigung an?

Ich bin der Meinung, dass man den Mut für eine Reorganisation haben muss, dass man Korrekturen machen muss. Auch im Bereich des Internetmarketings.

Themenwechsel: Dass von einem SVP-Landtagsabgeordneten ein Rekurs gegen einen Landesregierungsbeschluss ausgeht, dürfte neu sein. So geschehen in der Konzessionsvergabe beim Marteller Stausee. Ärgert Sie das?

Das ist noch nie da gewesen. Über den Zusammenhalt innerhalb der SVP-Gruppe kann man denken, wie man will. Es geht darum, ob das der Sache dient. Der Sache ist damit nicht gedient. Vor kurzem hat die Landesregierung  den Gemeinden 20 Prozent an der SEL-Holding, an allem, was die SEL besitzt, angeboten. Die Standortgemeinden sollen mehr bekommen.

Es gibt keine Vinschger Lösung?

Nein.

Und wenn die Gemeinden samt VEK Recht bekommen?

Dann muss man das akzeptieren. Und wenn sie nicht Recht bekommen?

Sagen Sie uns, was dann passiert.

Dann steht das Angebot der 20-Prozentbeteiligung nicht mehr.

Ihre Prognose für die Gemeinderatswahlen?

Ich glaube nicht, dass wir einen Bürgermeister verlieren, wohl aber Mandate. In einzelnen Gemeinden hat sich die SVP schwer getan, einen Bürgermeisterkandidaten zu finden. Das Risiko persönlich zu haften, ist vielen zu groß.