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S’Nichtstian bring a nix

6. Mai 2010

Herbert Tscholl aus Kastelbell sitzt mit 75 Jahren mehrmals in der Woche an der Orgel

Herbert Tscholl aus Kastelbell ist alles andere als eine unbekannte Person. Ob als Schneider, als Ehrenkapellmeister der Musikkapelle oder als Organist, man kennt ihn einfach im Dorf. Die Musik hat in seinem Leben einen sehr wichtigen Stellenwert eingenommen und macht dies auch immer noch. Trotz Herberts 75 Jahren sitzt er immer noch mehrmals pro Woche an der Orgel. „A Gottesdianst mit dr Orgel isch holt glei schun gonz eppas onders“, dieser Meinung sind alle Kirchengänger- und Herbert macht es gerne. Mit der Zeit hat er sich daran gewöhnt, fast täglich in die Pfarrkirche zu gehen und sich an die Orgel zu setzen. Im November letzten Jahres konnte er dann auf ganze 60 Jahre Tätigkeit als Organist zurückblicken.

Angefangen hat alles schon in jungen Jahren. Herbert wuchs in Kastelbell auf, seine Eltern waren beide nicht musikalisch und trotzdem setzte sich der 12-Jährige in den Kopf: „I will Klarinette learnen“. Seine Eltern haben sich dabei wahrscheinlich gedacht „jo, lossmrn holt, wenn er mog“ und haben Herbert auf seinem weiteren musikalischen Weg immer unterstützt. So auch, als der damalige Seelsorger Engelbert Planker ihn im Religionsunterricht fragte, ob er nicht Lust hätte, Harmonium zu lernen. „Zerscht hon i schun gezweifelt, oub sel schun Sinn mocht, ober donn hobn a meine Eltern gsog, i soll lai learnen“, erzählt Herbert. So hat er ca. eineinhalb Jahre bei Planker Harmoniumunterricht im Widum erhalten. Sein nächster Lehrer war der Tscharser Organist Anton Gruber. „Zem hon i entweder bei ihm in dr Wohnung aufn Klavier gspielt, oder oftramol a auf dr Orgel in dr Kirch.“ Inzwischen hatte der damalige Volksschullehrer Karl Zerzer den Kirchenchor in Kastelbell gegründet und der Patroziniumsonntag rückte näher. Am 30. November 1949, am Festtag des Hl. Andreas, war es soweit und der Kirchenchor Kastelbell, und somit auch Herbert am Harmonium, hatten ihren ersten Auftritt. „I bin nit sou nerveis gwesn, weil ba sou an frisch gegründetn Chor ischs Niveau a nit sou hoach gwesn, also hon i ols nit hort drspielt, wos sui gsungen hobn“, erinnert sich Herbert und lacht. Besonders unter Pfarrer Larch hatte Herbert immer sehr viel zu tun. „Oftramol hon i a gmiast jeden Tog in dr Kirch spieln“, berichtet er und erinnert sich schmunzelnd an die Zeit seines Militärdienstes zurück. Da hat Pfarrer Larch sogar dem vorstehenden General einen Brief geschrieben, in dem er bat, Herbert zu den hohen Festtagen heimfahren zu lassen. So kam es dann, dass er von Ferrara, Venedig und auch Udine immer mit dem Zug zum Orgelspielen nach Kastelbell gefahren ist. „Des isch schun a weite Fohrt gwesn, ober es hot mi holt gebraucht.“

Die sehr zeitaufwändige Tätigkeit als Organist war aber nicht Herberts einzige musikalische Beschäftigung. Mit 14 Jahren trat er in die Musikkapelle ein und lernte schon bald Flöte. „Die Musi hot sem nuie Instrumente grichtet, nor hot mi dr Kapellmoastr gfrog oub i nit Luscht hat, Flöte zu learnen, weil sel holt grod uane gwesn isch.“, erinnert sich Herbert. 1959 nimmt Herbert dann selbst den Dirigentenstab in die Hand und wird Kapellmeister. Ganze 23 Jahre stand er der Musikkapelle vor, bis er schließlich Christian Prister diese Aufgabe übergeben konnte. Herbert hat verstanden, dass dieser talentiert und der geeignete Mann dafür war. „I hon nor gsponnt, dassn die Latscher Musi umwerben tuat, donn hon is leicht ogebn“, erinnert sich Herbert und schmunzelt.

Wenn Herbert auf seine Zeit als Kapellmeister und Organist zurückblickt, dann bezeichnet er diese als schöne Zeit, aber auch als große Belastung. Neben seinem Beruf als Schneider, den er wie schon sein Vater in Kastelbell ausübte, hat er sich in seiner ganzen Freizeit der Musik gewidmet. Mit seiner Frau Marianne hatte er aber nie Probleme, weil er so oft weg war. „Die geeignete Frau brauchts do schun, sunscht isch nicht. Sunscht hoschs Fuir in Doch oubn!“, lacht Herbert und blickt dankend auf das immerwährende Verständnis seiner Frau für seine Tätigkeiten.

Heute ist Herbert nicht mehr Organist beim Chor, aber er spielt immer noch jeden Sonntag beim Gottesdienst. Auch bei allen Beerdigungen, sowohl in Kastelbell als auch in Tschars, ist es Herbert, der an der Orgel sitzt. Für die Zukunft wünscht sich Herbert Gesundheit und solange er gebraucht wird, wird er versuchen „olm a bissl zu spieln“. Am Patroziniumsonntag im November nutzte der Pfarrgemeinderat Herberts 60-jähriges Jubiläum als Organist als Anlass, um ihm für seine aufopfernde Tätigkeit im Namen der ganzen Gemeinde zu danken. Herbert freute sich sehr über die ehrenden Worte und wird auch weiterhin die Orgel zum Klingen bringen. „S’Nichtstian bring a nix, es holtet uan a bissl jung, wenn man wos zu tian hot“, sagt Herbert und wenn man ihn so an seiner Orgel sitzen sieht, stimmt man ihm eindeutig zu: Jung geblieben ist er allemal.

Julia Tapfer

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