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Nationalpark Stilfserjoch: Maler Herbst – Die Zwergstrauchheide

8. Oktober 2009

Die Farbveränderungen in den Blättern von laubwerfenden Bäumen und Sträuchern sind die auffälligsten und weithin sichtbaren Herbstboten. In den Gebirgsgegenden steigt Maler Herbst von oben nach unten ab. Im Frühling ist es umgekehrt, wenn die Lärchen als sommergrüne Bäume vom Talboden nach oben ergrünen. Jetzt im Herbst fallen die strohgelben Lärchen mit ihren Hochstämmen besonders auf, wenn sie als Solitär im Latschengürtel stehen. Die Legföhren ihrerseits sind immergrün, niederliegend, mit vielfach verzweigten Kriechstämmen und Säbelwuchs, der sie in Lawinenbahnen und Geröllhalden ausharren lässt. Das Dunkelgrün der Latschennadeln bildet im Herbst einen auffallenden Kontrast zur verfärbenden Lärche als waldgrenzbildende Baumart. Farblich ebenfalls auffällig sind die Gelbtöne der Zitterpappeln oder Ahorne oder die Orange-Brauntöne der Eberesche oder Vogelbeere. Die scharlachroten Beeren dieses Laubbaumes sind begehrte Nahrung für Drosselarten, Gimpel und andere Vogelarten, wie es der  Name bereits verrät.

Die Heidelbeere

Über der Waldgrenze sind die Heidelbeer-Heiden im Spätherbst besonders eindrucksvoll, wenn sich weite Flächen im Zwergstrauchgürtel leuchtend rot verfärben. Unter ihrem Dialektnamen Schwarzbeere ist die Heidelbeere allgemein bekannt. Vaccinium myrtillus  heißt sie mit dem lateinischen Namen in der Systematik der Pflanzen. Wie weitere Arten des Zwergstrauchgürtels, so etwa die Preiselbeere (Vaccinium vitis idaea, ital.: Mirtillo rosso) und die Moos- oder Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) gehört die Heidelbeere zur Pflanzenfamilie der Heidekrautgewächse oder Ericaceae. Die Triebenden der Schwarzbeeren sind unverholzt, vierkantig und grün. Die Blätter sind nach dem Austrieb bis zur herbstlichen Verfärbung hellgrün und am Blattrand gezähnt. Die Schwarzbeere ist laubwerfend. Die Blüten sind blass grün, rosa überlaufend. Die Frucht ist eine blauschwarze, essbare Beere, welche früher bei noch größerem Vorkommen zu einer geschätzten Marmelade verkocht wurde. Getrocknete Schwarzbeeren wurden bei Durchfall gegessen. Als Anspruch an den Wuchsstandort braucht die Schwarzbeere den Schutz der winterlichen Schneebedeckung und siedelt daher in den Schneetälchen als Geländemulden. Windapere Grate meidet sie.

Rotwild und Auerhuhn

Heute sind fruchtende Schwarzbeeren seltener als früher. Wo der Wald vordringt, verändern sich die Lichtverhältnisse. Aus wissenschaftlichen Erhebungen verdichtet sich die Annahme, dass Rotwild und Auerhuhn in einer Nahrungskonkurrenz stehen. Wo der Hirsch in großen Dichten vorkommt und Schwarzbeersträucher frisst, fehlen dem Auerhuhn die Beeren. Das Auerhuhn ernährt sich saisonal auch von Schwarzbeeren. Unsere Erhebungen  der Rotwildpopulationen im Nationalpark und die Zählungen und Beobachtungen der Raufußhühner erhärten diese Annahme. Störungen im Lebensraum verschiedener Ursache verschärfen noch weiter die Bestandsabnahme  des Auerhuhns

Krähenbeere und Bärentraube

Die Preiselbeere als weitere Charakterart der Zwergstrauchheide mit ihren korallenroten Beeren ist allgemein bekannt und als Glanenmarmelade veredelt ebenso begehrt. Die heimische Küche bietet die Preiselbeermarmelade zu Wildfleisch an.

Die Rauschbeere oder Moosbeere (Vaccinium uliginosum) ist sommergrün, die dunkelblauen Früchte sind mit jenen der Heidelbeere (Schwarzbeere) verwechselbar, haben aber kein Kelchgrübchen. Die italienische Bezeichnung „Mirtillo falso“ bezeichnet treffend diese Verwechslung mit der Schwarzbeere. Der deutsche Name Rauschbeere kommt daher, weil sich der Fruchtzucker in den Beeren  nach den ersten herbstlichen Frostnächten in Alkohol umwandelt. In den skandinavischen Zwergstrauchheiden bildet die Rauschbeere großflächige Bestände. Wenn Rentiere große Mengen dieser Beeren aufnehmen, zeigen sie Anzeichen von Berauschung.

Die Zwergstrauchheide beherbergt weitere Straucharten, welche im Herbst Beerenfrüchte tragen und teilweise ein spektakuläres Farbkleid anziehen. Zwei weniger bekannte Arten möchte ich hier noch vorstellen:

Die Bärentraube

Die Bärentraube kommt in zwei Arten vor:

Die immergrüne Bärentraube (Arctostaphylos uva ursi, ital.: Uva ursina)) ist ein niederliegender, lang kriechender und Matten bildender Kleinstrauch. Die ovalen und dunkelgrün ledrigen und ganzrandigen Blätter sind immergrün, wie dies treffend im Namen verankert ist. Diese Art wächst auf saurem Boden trockener und felsiger Heiden bis auf 2.800 Metern Höhe. Die Frucht ist eine rote, mehlige Beere (Dialektname „Mehlbeere“). Der Beere der Bärentraube fehlt das Kelchgrübchen der Preiselbeere und sie ist dadurch von der Preiselbeere zu unterscheiden.

Die Alpen-Bärentraube(Artostaphylos alpina) ist hingegen laubwerfend, mit hellgrünen, behaarten Blättern und leuchtend oranger  bis roter Herbstfärbung. Die Beere ist schwarz. Die Pflanze gedeiht auf Kalkböden.

Die Krähenbeere

Die Krähenbeere (Empetrum nigrum) ist ein immergrüner Zwergstrauch mit nadelförmigen, dunkelgrünen Blättern, welche gegenständig angeordnet sind und einen eingerollten Rand haben. Männliche und weibliche Blüten sind auf zwei verschiedene Pflanzen verteilt. In der Botanik nennt man solche Arten von eingeschlechtigen Blütenpflanzen, welche vom Bauplan der Zwitterblüte abweichen, zweihäusige Pflanzen: Weibchen und Männchen sind auf zwei Häuser verteilt.

Die Frucht der Krähenbeere ist eine kugelige schwarze Beere. Der deutsche Pflanzenname erinnert an das Schwarz der Krähen und im Italienischen heißt dieses Zwergsträuchlein bezeichnend „Moretta“.

von Nationalparkdirektor Wolfgang Platter

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