Bauern unter sich

25. Februar 2010

Was diskutieren die Latscher kurz vor den Gemeinderatswahlen? Es sind nicht Programme, nicht Bauvorhaben oder ähnliches: Es ist die Vorgehensweise, wie sich ein Kandidat selbst zur Wahl aufgestellt hat und wie sich sein parteiinterner Kontrahent nun verhält. Eine Gemeinde zwischen Irritation, Begeisterung und Abwarten.

von Philipp Trafojer

Latscher Gemeinderatswahlkämpfe waren in der Vergangenheit häufig Angelegenheiten mit großem Unterhaltungswert.

Heftige Auseinandersetzungen zwischen den Kontrahenten, Geheimsitzungen, Intrigen, Standesdenken und die Suche nach Abweichlern in den eigenen, vermeintlich geschlossenen Reihen prägten allzu oft das Bild und vergifteten das politische Klima im Dorf auf Jahre. Ihren Höhepunkt erreichte diese Art der politischen
Auseinandersetzung vor fünf Jahren.

Die damalige Wahl brachte dem Dorf schließlich eine neue, bunt zusammengewürfelte Mehrheit, die entgegen vieler Unkenrufe bis heute ohne gröbere Unstimmigkeiten als Verwaltung agiert. Latsch hat sich seit damals verändert: Die Macht der Interessensverbände und Freundeskreise hat sich gewandelt, persönliche Feindschaften werden nicht mehr so deutlich in der Öffentlichkeit gepflegt. Politik und Verwaltung verlaufen weitgehend getrennt. Auch die politischen Akteure haben sich im Laufe der Jahre den veränderten Gegebenheiten angepasst: Die Verlierer von damals haben sich praktisch zurückgezogen, die SVP hat sich unter neuer Führung reorganisiert, ihre ehemaligen Abweichler sind von der Bürgerliste in den Schoß der Mutterpartei zurückgekehrt, demokratische Spielregeln zur Kandidatenfindung wurden innerparteilich angepriesen und eingeführt.

Alles deutete auf einen gemütlich-langweiligen Wahlkampf hin, bei dem eigentlich nur die Aufgabenverteilung innerhalb der Verwaltung von Interesse gewesen wäre. Dabei zögerte Bürgermeister Karl Weiss lange, seine Kandidatur persönlich bekannt zu geben.

Der politische Latscher Winterschlaf endete aber abrupt, als Helmut Fischer, der amtiertende SVP-Ortsobmann von Latsch, als Erster seine Kandidatur zum Amte des  Bürgermeisters ankündigte. Damit löste er im Dorf zahlreiche Spekulationen aus, die bis heute andauern. Wer ist nun dieser Helmut Fischer? Politisch betrachtet ist der Jahrgangskollege und persönliche Freund von Landesrat Richard Theiner ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Vor drei Jahren wurde er durch den Verzicht des Erstgewählten Hans Mitterer zum SVP-Ortsobmann des Dorfes. Er ist wie der amtierende Bürgermeister ein Bauer, ist deutlich jünger, verfügt über ein beeindruckendes Stimmorgan und weiß dieses in allen Tonlagen einzusetzen. Er ist bisher vor allem durch soziales Engagement aufgefallen. So ist er im Vorstand des Weißen Kreuzes tätig und hat sich zuletzt bei einer Solidaritätsaktion für den schwer verunglückten Latscher Sepp Lösch beteiligt. Im Dorf selbst ist er beliebt und kann auf die Unterstützung zahlreicher Freunde bauen.

Als SVP-Ortsobmann zeichnet er sich bislang dadurch aus, dass er der Ortsgruppe einen modernen, nach außen hin selbstkritischen Anstrich zu verpassen versucht. Dabei bleibt er in seinen Aussagen immer sachlich, korrekt und höflich, aber dem politischen Zeitgeist entsprechend recht unverbindlich und allgemein.

SVP-Ortsobmann Helmut Fischer

Unter seiner Führung hat sich die ehemals am Boden liegende SVP in Latsch neu aufgestellt. Eines ist ihm aber nicht gelungen: Die Verwalter der Gemeinde sichtbar in die Parteiarbeit einzubinden. Bei den Wahlen vor fünf Jahren war der jetzige Bürgermeister Karl Weiss mit der Unterstützung von SVP-Abweichlern gewählt worden. Diese, als Bürgerlistler gewählten Räte, waren dann auch von Weiss bei der Bildung des Gemeindeausschusses berücksichtigt worden. Neuwahlen, wie sie von einigen damaligen Exponenten der SVP gefordert wurden, lehnte der siegreiche Weiss kategorisch ab. Er bastelte sich eine solide Mehrheit im Rat, bestehend aus kompromissbereiten SVP-lern und Exponenten der Bürgerliste. Dabei kündigte er an, innerhalb der folgenden Legislaturperiode, sämtliche Abweichler in die Mutterpartei zurückzuführen.

Der Mann an der Spitze der großen Gemeinde scherte sich in der Folge nicht sonderlich um die Parteipolitik. Er verwaltete gemeinsam mit seinem Team und entwickelte einen Tatendrang, dem ihm, der als „Übergangsbürgermeister“ angetreten war, nur wenige zugetraut hatten. Seine Stärke ist nicht die Wortgewalt: Er findet Spaß daran, mit Leuten zur reden, zu organisieren, zu bauen und zu verwalten. Dort, wo es gefährlich wird, setzt er auf Bauernschläue und Teamgeist. Seine Referenten bescheinigen ihm, ein guter Verwalter zu sein, der ihnen Freiräume bei der Durchführung ihrer Tätigkeit gewährt hat. Selbst der einzige freiheitliche Exponent im Gemeinderat, der für die Bürgerliste gewählte Sepp Kofler, spricht mit freundlichen Worten über die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister und dem Klima im Gemeinderat.

Die klassische Oppositionspolitik im Gemeinderat habe er, so BM Weiss selbst, nur von Seiten einiger SVP-Mandatare erlebt. Diese aber hätten sich in letzter Zeit weitgehend aus der Gemeindepolitik zurückgezogen.

Weiss, ursprünglich angetreten mit den Zielen, die alte Gemeindeverwaltung um Markus Pircher zu stürzen und als Übergangsbürgermeister neue Verhältnisse in Latsch zu schaffen, hat im Laufe der vergangenen Legislaturperiode Gefallen an seiner Tätigkeit gefunden. Zwar habe er auch im Hinblick auf seine Gesundheit zwischenzeitlich an eine geordnete Hofübergabe gedacht. Im Falle einer BM-Kandidatur von Walter Theiner, dem Bruder des SVP-Obmannes Richard und derzeitigen Gemeindereferenten, wäre „das Angefangene weitergegangen“. Dieser habe sich zudem ihm gegenüber „fair“ verhalten und die eigene Kandidatur in einem Vieraugengespräch angekündigt und begründet. Kurze Zeit später hat Walter Theiner, der als Gemeindesekretär in Schnals und Plaus wegen drohender Unvereinbarkeit um seinen Platz fürchten musste, diese Kandidatur wieder zurückgezogen. Das liege daran, so Theiner selbst, dass die Unvereinbarkeit bislang nicht im regionalen Wahlgesetz verankert worden sei, er könne also mit großer Wahrscheinlichkeit als Referent weiterarbeiten.

Der amtierende Bürgermeister Karl Weiss hat sich nach reichlichen Überlegungen und mit einer gewissen Wut im Bauch zur Kandidatur

BM Karl Weiss

entschlossen. Besonders stört ihn, dass Fischer seine Kandidatur angetragen hat, ohne zuvor mit ihm zu sprechen. Er sieht in der Kandidatur von Fischer „einen politischen Hintergrund“, spricht sogar von „Rache für das vor fünf Jahren“ und fürchtet den Versuch, „das Angefangene zu verhindern“. Trotzig meint er im Gespräch: „Jetzt tue ich es erst recht“.

SVP-Ortsobmann Fischer hatte sich selbst als Kandidat angetragen und sich dabei auf die Unterstützung zahlreicher Freunde berufen. Wer ihn darüber hinaus im Rennen um den Bürgermeistersessel unterstützt, ist noch unklar. Die Vertreter von Handwerk, Tourismus, Bauern und Sozialverbänden jedenfalls vermeiden bislang jede deutliche Stellungnahme.

Noch ist auch Fischers politische Linie unklar: Er selbst spricht mit freundlichen Tönen von der aktuellen Verwaltung, erwähnt aber in einem Interview mit der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ die Existenz von „grauen Eminenzen“ in Latsch. Er präsentiert sich als ein überzeugter Demokrat, der den Bürgern eine echte Wahl ermöglichen will, ohne sich dabei auf die Unterstützung von Verbänden oder Vereinen berufen zu müssen. Sein klares Ziel sei es, Bürgermeister zu werden und zu regieren. Dabei will er die Rolle der Referenten aufgewerten, sie sollen „sich verwirklichen können“, und die Politik insgesamt aus der Gemeindestube näher zum Bürger hin verlagern. Den Vorwurf, kaum Erfahrung als Verwalter zu haben, kontert er mit dem Hinweis, dass „Erfahrungsmangel auch eine Chance“ sein könne. Zudem arbeite er seit sechs Jahren im Vorstand des Weißen Kreuzes und die reine Verwaltungstätigkeit einer Gemeinde werde doch hauptsächlich vom Gemeindesekretär wahrgenommen.

Daneben erinnert er, dass sich Karl Weiss selbst als „Übergangsbürgermeister“ bezeichnet habe und dass dieses Amt eines auf Zeit sei. Er selbst sei schon vor fünf Jahren von Exponenten der damaligen Bürgerliste auf eine Kandidatur als Bürgermeister angesprochen worden.  An dieses Amt habe er aber noch nicht einmal bei der Wahl zum SVP-Ortsobmann vor drei Jahren gedacht. Den Entschluss zur Kandidatur habe er erst im November während eines Südafrika Urlaubes definitiv getroffen.

Wer die von Fischer angesprochenen grauen Eminenzen sein könnten, glaubt sein Vorgänger als SVP-Ortsobmann und Gemeindereferent Hans Mitterer zu wissen. Er meint: „Das wären dann wohl der Bürgermeister, der Fraktionsvorsteher von Latsch (Mathias – “Mohler Hias“ – Oberhofer) und ich.“ Die Wahl und der Wahlkampf versprechen auf jeden Fall spannend zu werden. Beide Kandidaten betonen aber, einen offenen und fairen Wahlkampf führen zu wollen.

Auch die Wahl des neuen Gemeinderates dürfte interessant werden. Die SVP wird ihre Kandidatenliste erst nach den internen Kandidatenermittlungen, bei der sich erstmals auch 16-Jährige beteiligen können, bekannt geben.
Diese finden am  27. und 28. Februar sowohl im Hauptort als auch in Tarsch, Goldrain und Morter statt.  In beiden letztgenannten Ortschaften kann aber nur am Samstag „ermittelt“ werden. Die genauen Termine gab nicht die SVP, sondern die „Latscher Zeitung“ mit einer fehlerhaften Meldung vor.

Der Wahl nicht mehr stellen werden sich mit Gewissheit Stefan Marsoner, Adalbert Linser, Roman Schwienbacher und Markus Pircher. Von den bisherigen Referenten halten sich Andrea Kofler und Hermann Kerschbaumer Raffeiner bedeckt. Sie machen ihr Antreten vom Ausgang der Kandidatenermittlung abhängig. Alle übrigen haben schon erklärt, wieder kandidieren zu wollen. Von den einfachen Räten sind Herbert Schwarz, Mauro Dalla Barba und Verena Rinner durchaus bereit, in Zukunft auch mitzuregieren.

Als Opposition werden diesmal die Freiheitlichen, angeführt von Sepp Kofler und André Pirhofer, antreten. Ob sie einen eigenen Bürgermeisterkandidaten präsentieren, ist noch nicht entschieden.