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Marmor-Sesam öffne dich!

25. März 2010

Vinschgerwind - Titel 06/10

Seit Georg Lechner und seine Aktionäre die „Lasa Marmo“ übernommen haben, geht in Laas der Knopf auf. Lange war das Marmorwerk eine Art Fremdkörper mitten im Dorf, welches zwar vielen Familien ein Einkommen geboten hat, sich aber ansonsten aus dem sozialen Dorfgeschehen rausgehalten und sogar abgeschottet hat. Nun kommt Dynamik in die „Lasa“, in den Betrieb selbst und von außen. Laas schnappt nach Marmorluft.

von Erwin Bernhart

Auf Georg Lechner prasselt es derzeit, einem stürmischen Regenguss gleich,  von allen Seiten nieder. Warum er den Bruch nicht zugänglich mache, warum er keine Führungen mache, warum man das Werk nicht besichtigen könne. Ob er nicht den Spalt ein klein wenig öffnen könne. Lechner muss tausendmal erklären, dass dies alles nicht möglich sei. Noch nicht. Denn im Konzessionsvertrag steht ein Passus, der es der ‚Lasa Marmo’ verbietet, Betriebsfremde auf das Werksgelände, auf die Schrägbahn und in den Weißwasserbruch zu lassen. Aus Sicherheitsgründen.

Mit diesem Argument muss Lechner jene Vermutung entkräften, die besagt, dass es seine Vorgänger, Giuseppe zuerst und dann seine Tochter Elisabetta Sonzogno, waren, die Werk und Bruch für Besucher geschlossen hielten.

Und doch. Durch den Besitzerwechsel der ‚Lasa’ von der Familie Sonzogno in Richtung Lechner Marmor AG vor eineinhalb Jahren geht in Laas der Knopf auf. Weil Georg Lechner ein Laaser ist, mit dem man reden kann, der offen ist für Neues, der zuhört, der bei Versammlungen dabei ist, der das Wort erhebt, der eine Verantwortung spürt, manchmal auch nicht Nein sagen kann, prasselt’s eben nieder.

Der Stolz auf den weißen Stein, das Wissen um den Alleinstellungswert weit über die Landesgrenzen hinaus, die Erfahrungen der Arbeiter im Bruch, im Werk, der im ganzen Dorf verstreute Stein in geschichtsträchtigen Gebäuden, als Pflaster auf den Gehsteigen, die Marmorfachschule – Laas ist steinreich. Und die Laaser beginnen sich dessen auf breiter Ebene bewusst zu werden. Dies auszuleben war ihnen bisher verwehrt. Einige haben Arbeit gehabt, bei den Sonzognos. Recht viel mehr war für die Laaser im Bruch und im Werk nicht drin. Zu abgeschottet agierten die alten Besitzer gegenüber der Laaser Bevölkerung. ‚Lasa’ tauchte auch seit langem auf keinem Vereinstrikot mehr auf. Auch sonst war die Identität der Laaser mit der ‚Lasa’ eine verhaltene. Bis Georg Lechner mit seinen Investoren, aus wirtschaftlicher Sicht, den Coup des Jahrhunderts landete.

Georg Lechner: Der Geschäftsführer der „Lasa“ hat jede Menge offene Baustellen. Dazu zeigt er sich offen für Neues, auch für eine mögliche touristische Nutzung der Marmoranlagen.

Lechner, der Geschäftsführer der „Lasa Marmo“, hat alle Hände voll zu tun. Bald werden es 42 Arbeiter sein, die in Lohn und Brot bei der ‚Lasa’ stehen. „Unsere Aufgabe ist es, den Betrieb auszubauen und den gewonnenen Marmor zu verkaufen“, sagt Lechner. Er ist derzeit mit dem Ausbau beschäftigt, denn das angetretene Erbe ist so rosig nicht. Die Transportstruktur, der Kabelkran und die Flachbahnen oben und unten und die Schrägbahn sind zu sanieren. Zwei bis drei Jahre wird dies in Anspruch nehmen, schätzt Lechner. Diese Sanierungszeit mit laufendem Abbau zu überbrücken, damit der Betrieb rentabel bleibt, ist das Kunststück, das es zu vollbringen gilt.

Tatsächlich scheint dies zu gelingen. Denn geplant sind zwei provisorische Seilbahnen, von der Fraktion Laas bereits gutgeheißen und der Laaser Baukommission vorliegend: Die erste Seilbahn soll den Weißwasserbruch mit der oberen Flachbahn verbinden, länger als der bisherige Kabelkran, so dass nur noch rund 300 Meter mit der Bahn bis zum Bremsberg zurückzulegen sind. Die zweite Seilbahn soll genau über die derzeitige Schrägbahn gespannt werden und – auf 20 Tonnen ausgelegt – den Marmor bis ins „Loch“ bringen, von wo er dann mit der bestehenden Flachbahn ins Werk gebracht werden kann. Die Genehmigungsverfahren zwischen Gemeinde, Nationalpark und Land sollen ehestens abgewickelt werden. Um die vier Millionen Euro sollen die zwei Seilbahnen kosten.

„Würden wir während der Sanierungszeit die Straße benützen, wäre das nicht nur eine Katastrophe für das Dorf, sondern auch für den Betrieb. Dann wäre im Winter Stillstand und gut 40 Leute in der Ausgleichskasse“, sagt Lechner.

Nicht genug damit: Ist der Schnee weggeschmolzen, beginnen die Arbeiten an der Jennwandseilbahn, für die sämtliche Genehmigungen vorhanden sind. Mit enormer Dynamik kommt Bewegung in die ‚Lasa’. Eine derartige Dynamik mit einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro in den nächsten Jahren, dass die Landesämter beim Ansuchen um Beiträge leicht überfordert sind.

Dynamik kommt auch von einer anderen Seite: Seit einem Jahr arbeitet der Architekt Siegfried

Siegfried Tappeiner: Der gelernte Architekt legt ein bodenständiges Konzept vor, über das die Laaser Bevölkerung diskutieren soll.

Tappeiner an einem Konzept für eine touristische Nutzung der Marmoranlage. Kürzlich wurde dieses Konzept erstmals einem breiten Publikum in Laas präsentiert. Aus unzähligen Gesprächen mit Laasern, Künstlern, Gastbetrieben, Kaufleuten, Alpenverein, Touristikern hat Tappeiner ein Ideenkondensat geschmiedet. Weit über Laas hinaus hat Tappeiner vorgefühlt: bei Christoph Engl, beim TIS, beim Amt für technische Kulturgüter. Den Auftrag, ein Konzept zu erstellen, hat er vom Bruchbesitzer, der Fraktion Laas, von der Gemeinde Laas und von der ‚Lasa’ erhalten. Das Konzept steht demnach auf breiter Basis. Dennoch soll es im Rahmen von „Marmortischen“ mit der Laaser Bevölkerung vertieft, ausgebaut und so auf eine noch breitere Basis gestellt werden.

Tappeiner muss seine Begeisterung rund um den Marmor zügeln. Blättert er alte Bilder durch, wie der Stein gebrochen worden ist, wie er abtransportiert wurde, wo auf der Welt der Marmor aus Laas zu finden ist, sagt er mit gezügelter Begeisterung: „Am Stein ist etwas dran.“

Auf drei Säulen hat Tappeiner sein Konzept gestellt: Marmorwerk – Technik und Bruch. Die grundlegende Devise lautet, etwas aus dem zu machen, was vorhanden ist, keine künstliche Welt.

Einen Marmorpark stellt sich Tappeiner am Eingang des Werkes vor, für alle zugänglich, mit einem Marmorlabyrinth, einer Arbeitsstätte, wo gemeiselt werden kann, mit Ausstellungen in der alten Remise, einer Skulpturengalerie, einem Besucherzentrum. Den 80 Jahre alten Portalkran mit dem eisernen Schriftzug „Lasa Marmo“ stellt Tappeiner über die Geleise am Bahnhof, zugänglich für Führungen. „Das Besucherzentrum könnte Ausgangspunkt für Werk- und Marmorführungen werden“, sagt Tappeiner. Im „Loch“, der Talstation der Schrägbahn, stellt sich Tappeiner eine Arena für Events und allerlei Veranstaltungen vor. „Es ist ein Paket von bereits vorhandenen Ideen“, bleibt Tappeiner bescheiden.

Ein „Schrägbahnsteig“, vorangetrieben vom Verein „Freunde der Schrägbahn“ ist bereits über die Planung hinaus und soll heuer noch verwirklicht werden. Er verläuft links der Schrägbahn in großen Serpentinen hinauf bis zum Bremsberg. Kontakt mit der Schrägbahn wird beim „Wechsel“ hergestellt. „Eine Aussichtsplattform könnte es dort geben“, sagt Tappeiner.

Parallel zur Schrägbahn selbst könnte eine Wartungsstiege aus Marmor verlaufen. Tappeiner hat ausgerechnet, dass diese 2880 Stufen hätte, 960 Meter lang wäre und 474 Höhenmeter zu überwinden sind. Zum Vergleich: das Empire State Building in New York hat 1576 Stufen und bei 86 Stockwerken einen Höhenunterschied von 320 Metern. Einmal im Jahr wird dort das „Hochhausrennen“, der Tower-Run, veranstaltet, nach dem Motto: „Nur Weicheier nehmen den Lift“. Was man alles an den Marmortreppen in Laas veranstalten könnte, bleibt der Phantasie überlassen.

Einen behindertengerechten Fußweg entlang der oberen Flachbahn samt Draisinenfahrt am arbeitsfeien Wochenende kann sich Tappeiner vorstellen.

Eine Brücke über den Laasertalbach, den Valdaunbach, soll Besucher zu den Stiegen des „Brüchlersteiges“ führen. Über die 365 Stufen geht es hinauf bis zur „Kantine“. Eine Alternative, zum Bruch zu gelangen, wäre mit einem Shuttlebus über die Tarneller Straße.

Im Weißwasserbruch selbst, in den bis zu 30 Meter hohen Marmorhallen, stellt sich Tappeiner einen statischen und einen dynamischen Bereich vor. Im statischen Bereich, in dem kein Marmor abgebaut wird, können sich die Besucher über den Marmor und dessen Abbautechniken infomieren. Von einem Stollen zum anderen gelangt man über abgehängte Treppen oder über Brücken.

Direkt in den Abbaubereich soll man entlang eines gesicherten Korridors gelangen – direkt in den gelebten Bergbau.

„Und warum sollen wir uns den Mamor als Grabkreuz erst nach dem Tod leisten“, fragt Tappeiner spitzbübisch. Als Begleitmusik könnte sich Tappeiner vorstellen, die Sandkästen auf den Kinderspielplätzen mit weißem Sand zu füllen. Und die Vinschger Inseln bei den Kreisverkehren in weißem Marmor? Und warum nicht einen Botschafter des Marmors, dessen Gesicht jedes Jahr wechselt? An Ideen mangelt es nicht. Eines will man in Laas vermeiden: Dass es nicht so kommen soll, wie bei den Kristallwelten in Wattens. Die enormen Besucherzahlen gehen direkt am Dorf selbst vorbei. Wattens hat nicht viel von den Kristallwelten.

Laas soll teilhaben an den Marmorwelten, so der Wunsch.

Noch sind keine Zahlen auf dem Tisch. Konkreteres sollen die Marmorstammtische bringen. Ein erster wird am 7. April um 20.00 Uhr in der Krone stattfinden. Die Laaser sollen mitreden, das ist der Wunsch der Auftraggeber.

Weil Laas selbst allerdings kaum Gäste-betten hat, wird man sich um die Bettenburgen außerhalb bemühen müssen. Das weiß man in Laas. Tappeiner sagt: „Diese Geschichte muss von den Laasern mitgetragen werden, sie darf aber keine Laaser Geschichte bleiben.“

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