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Südtirols Biobauern tagen im Vinschgau

30. Juli 2009

Vinschgerwind-Titel 15-09

Südtirol hat 600 Biobauern. 120 sind es im Vinschgau. Europaweit beträgt der Bio-Anteil sechs Prozent, Tendenz steigend. Am vergangenen Samstag trafen sich die Mitglieder der verschieden Bio-Verbände zu den „Sommergesprächen auf der Alm“ in Allitz. Es ging um das Thema: „Altes Wissen und neue Impulse für die biologische Landwirtschaft in Südtirol“, um die Auseinandersetzung mit dem Ursprung, den Werten und ihre Weiterentwicklung.

von Magdalena Dietl Sapelza

In den 1920er Jahren stellten Menschen fest, dass ihnen die Nahrungsmittel nicht mehr gut taten. Die Konsumenten fanden Verbündete in Bauern, die sich ebenfalls die Frage stellten: Warum sind unsere Nahrungsmittel nicht mehr vital? Eine Kehrtwende wurde mit der so genannten „Lebens-Reform“ eingeleitet. Es begann ein Aufbäumen gegen Chemie in der Nahrungsmittelproduktion, die verantwortlich für Krankheiten gemacht wurde. Zurück zur Natur, hieß die Devise. In diesem Zusammenhang entstanden die ersten Reformhäuser, in denen natürlich erzeugte Produkte verkauft wurden. „Das war gewissermaßen die Geburtstunde des biologischen Landbaues“, erklärte der ehemalige Geschäftsführer von „Bioland“ und „Demeter“ Peter Schaumberger in seinem geschichtlichen Rückblick.

Bis ins 19. Jahrhundert wurde im weitesten Sinne biologisch gewirtschaftet. Das Wissen über landwirtschaftlichen Anbauformen war von einer Generation auf die andere übergegangen. Dann entwickelte sich die Landwirtschaft in rasendem Tempo in Richtung Industrialisierung und betriebswirtschaftlicher Gewinnmaximierung, größtenteils ohne Rücksicht auf Grund und Boden. Die Nebeneffekte sind seither verminderte Qualität, krankmachende Stoffe in den Nahrungsmitteln und ein riesiger Energieverbrauch.

Alternative zur Chemie

Die Pioniere suchten nach Alternativen, nach biologischen Hilfsmitteln zur umweltverträglichen und dennoch effizienten Nahrungsmittelproduktion. Die wissenschaftliche Grundlage für den ökologischen Landbau lieferte der Botaniker und Mikrobiologe Raoul France im Jahre 1913 mit seinen Untersuchungen zur Ökologie der im Boden lebenden Mikroorganismen. Es entwickelten sich zwei Hauptströme der ökologischen Landwirtschaft, die „biologisch-dynamische Wirtschaftsweise“ und der „organisch biologische Landbau“ (siehe Kasten).

Die Vertreter beider Wirtschaftsweisen sind heute in mehreren Verbänden organisiert mit teils unterschiedlichen, selbst auferlegten Richtlinien. Die strengsten Richtlinien im Vinschgau befolgen die Bauern im „Bund alternativer Anbauer“. Sie verzichten auf Kupfer und Schwefel. Die Gemeinsamkeit der Verbände besteht darin, dass sie sich alle den naturschonenden Produktionsmethoden verpflichtet fühlen. Sie verzichten im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft auf chemisch-syntetische Pflanzenschutzmittel wie Fungizide, Herbizide, Insektizide, auf synthetische Wachstumsförderer, auf synthetische Düngemittel, auf Antibiotika und auf Gen-Technik. Erzeugnisse der biologischen Landwirtschaft werden keiner Lebensmittelbestrahlung unterzogen. Die Kontrollen sind streng, um „schwarze Schafe“ auszumustern. Denn biologischer Landbau hat mit Vertrauen zu tun.

Neues Bewusstsein

Für die konventionell tätigen Landwirte waren die Bio-Pionier, lange Zeit „Spinner“. Die Einzelkämpfer wurden ausgegrenzt. Erst später schöpften sie Kraft aus Zusammenschlüssen. „Die Kraft kam aus der Überzeugung, dass wir nicht von gestern sind, sondern von morgen“, sagt Josef Wetzstein Vizepräsident von „Bioland“. Man habe sich immer darum bemüht, keine Gräben zu vertiefen und im Sinne einer gemeinsamen Zukunft offen zu sein für alle, die noch nicht soweit sind. Seit 90 Jahren versuchen Biobauern die Einstellung in den Köpfen zu verändern, um die Landwirtschaft zu ökologisch verträglichen Bewirtschaftungsform und zur Nachhaltigkeit zurück zu führen. Dazu brauchen sie allerdings einen langen Atem. In jüngster Zeit gibt es Teilerfolge. Die Zahl der Biobauern steigt, weil die Sehnsucht der Menschen nach natürlich produzierten Nahrungsmitteln ebenfalls steigt. Ein neues Bewusstsein fasst Fuß, nicht zuletzt aufgrund der aufgedeckten Lebensmittelskandale. Und die Konsumenten sind auch bereit, mehr für Bioprodukte zu bezahlen. Für Verwirrung sorgt teilweise die Kennzeichnung. Es fehlt ein einheitliches und verbindliches Logo.

Verbindliches EU-Siegel

Biobauern haben immer mehr Konsumenten auf ihrer Seite. Das bedingt, dass auch Politiker hellhörig werden, auf die Bioscheine aufspringen und zu Weichenstellern werden. In Allitz waren unter andern der Gesundheitslandesrat Richard Theiner und der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann anwesend. Theiner plädierte für einen gesunden Lebensstil und bemängelte, dass sich vor allem die Jugend katastrophal ernähre. Er forderte eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Leben und mit der Ernährung, und hob hervor, dass die Sanitätseinheit West in Sachen Verpflegung im Krankenhaus Schlanders ein Bio-Projekt ins Leben gerufen hat. Dorfmann wartete mit der Nachricht auf, dass die EU-Kommission derzeit einen Aktionsplan für biologische Landwirtschaft ausarbeite. Demnächst werde man ein verbindliches Siegel präsentieren, das für einen Mindeststandart bürgt. Wo Bio draufsteht muss auch Bio drin sein. „Der Mindeststandart ist ein Riesenschritt“, sagt Wetzstein. Zusätzlich gebe es Qualitätsparameter je nach Verband.

Nachhaltige

Wertschöpfung

Biologische Landwirtschaft ist moderne Landwirtschaft. Sie muss sich den Herausforderungen des Marktes stellen, ohne dabei ihre Werte aus den Augen zu verlieren.

„Bio muss unser Weg sein, das sind wir unseren Kindern schuldig“ unterstrich der Gadertaler Bio-Hotelier Michil Costa. „Biologische Landwirtschaft ist eine der besten Möglichkeiten, um nachhaltig Wertschöpfung für das Land zu erreichen“. „Man kümmert sich in Tourismuskreisen unseres Landes lieber um Kubaturverschiebung und Bettenaufstockung, als um Ethik und Nachhaltigkeit.“ Er forderte Land- und Gastwirte auf, aufeinander zuzugehen, regte die Gründung einer Einkaufs- beziehungsweise Verkaufsgenossenschaft an.

In der Diskussion wurde die Subventionspolitik des Landes angesprochen, bei der die Biobauern oft kürzer treten müssen, und die Bio-Vermarktung, die nicht um die Regeln des globalisierten Marktes herum kommt.

Zusammenfassend brachte Moderatorin Renate Gamper den Inhalt der Sommergespräche auf den Punkt: „Bio ist Lebenshaltung, Bio braucht Menschen, die sich die richtigen Fragen stellen und die Antworten finden. Bio ist der Blick auf Natur und Schöpfung. Bio ist ein Gefühl, ein schönes Gefühl.“

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