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Khoma korben, ki ballen? Entschuldigung, wie bitte? (bengalisch)

16. Oktober 2008

Vinschgerwind-Titel 20-08

Ausländer, Einwanderer, Immigranten, Asylanten, Migranten, Fremde, Flüchtlinge, Menschen mit Migrantionshintergrund, EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger, es gibt viele Bezeichnungen für unsere Mitbürger außerhalb der italienischen Grenzen. Umso schwieriger ist es, immer den richtigen Terminus zu finden ohne, auch unwillentlich, in irgendeine Ecke gedrängt zu werden. Allein schon diese Tatsache, weist auf die Brisanz der Angelegenheit hin, und gibt Denkanstöße über das „Warum?“.

von Maria Gerstgrasser

Die Situation in Naturns scheint allerdings entspannt. Menschen unterschiedlicher Herkunft und Einheimische leben hier, wenn auch nicht wirklich miteinander, so zumindest nahezu stressfrei nebeneinander. Größere Reibereien sind nicht bekannt.

Zurzeit wohnen in der Gemeinde 167 Frauen und 142 Männer ausländischer Herkunft.

Vor allem der hiesige Arbeitsmarkt und die Wohnqualität im Dorf sind ausschlaggebende Faktoren für Naturns als gern gewählte Wahlheimat. Gastbetriebe, Obstmagazine und Speckfabriken bilden einen großen Teil der Arbeitsmöglichkeiten.

Inklusion statt Integration

2006 rief die Gemeindeverwaltung, zusammen mit dem Sozialsprengel und der Pfarrgemeinde, das „Projekt Zuwanderung“ ins Leben. Ziel ist es, den neu Zugezogenen den Einstieg in die Dorfgemeinschaft zu erleichtern. Hierfür wurde eine kleine Broschüre mit Willkommensgrüßen, wichtigen Informationen und Telefonnummern erstellt, die als anfängliche Hilfestellung dienen soll.

Das Heft wird zusammen mit einer Liste von 23 Ansprechpartnern am Meldeamt den neuen Mitbürgern ausgehändigt. Die auf der Liste genannten Personen haben sich bereit erklärt, in der Nachbarschaft für Fragen und Informationen zur Verfügung zu stehen. Dieses Angebot wurde bisher aber kaum in Anspruch genommen.

Weiterer Teil dieses Projektes ist auch das jährliche Begrüßungstreffen im November. Im Bürger- und Rathaus werden die neuen Naturnser offiziell willkommen geheißen. Nach einer kurzen Vorstellung der Gemeinde und dem Bekanntmachen mit den Ansprechpartnern bietet der Umtrunk gute Gelegenheit sich kennen zu lernen. „Die Anwesenden waren von diesen Treffen immer sehr angetan“, so Edith Schweizer.

In Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Schule, der Gemeinde und dem Sozialsprengel wurde auch das Projekt “Kennenlernen unserer Sprache und Kultur für ausländische Kinder“ erarbeitet und durchgeführt. Margot Tschager versucht ehrenamtlich den Minderjährigen Kultur und Sprache näher zu bringen. Die Wichtigkeit solcher Projekte darf nicht unterschätzt werden, besonders im Hinblick auf die Kinder und Jungendlichen. Zugehörigkeitsgefühl entwickelt sich nicht zuletzt über die Verständigung. „Vor allem Kinder müssen sich zugehörig fühlen, um nicht später auf falsche Wege, wie Sucht oder Kriminalität, zu geraten“, so Christina Eberhöfer, Leiterin des Sozialsprengels.

„Frauen, die nicht deutscher oder italienischer Muttersprache sind, lernen das Territorium kennen und verfeinern ihre Sprachkenntnisse“, so der Name eines anderen Projektes von Gemeinde, Schule und Sozialsprengel. Margot Tschager begleitete 14 Frauen, vorwiegend aus dem Balkan, bei Einkäufen und bei der Bewältigung anderer Alltagssituationen.

Vor allem Frauen benötigen Unterstützung. Anders als die meist berufstätigen Männer, bleiben viele Frauen zu Hause. Somit ist es für sie um einiges schwerer, die Sprache zu erlernen und sich zu integrieren. Christina Eberhöfer: „Weitere wichtige Schwerpunkte zur Unterstützung ausländischer Familien wäre die Aufklärung über das Thema Mülltrennung sowie eine gezielte Schulung von Haushaltsführung. Es soll nicht vorkommen, dass, auch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, beispielsweise Weichspüler anstelle von Waschmittel für die normale Wäsche benutzt wird.“

Schule und Kindergarten

Den Kindergarten besuchen heuer insgesamt 140 Kinder, von denen 16 ausländischer Herkunft sind. „Schwierigkeiten, auch in sprachlicher Hinsicht, gibt es keine“, so die Leiterin des Kindergartens Judith Holzeisen.

Zurzeit sind 24 ausländische Schüler mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen in der Grundschule und 4 in der Mittelschule.

Integrationshilfen für Schüler mit Migrationshintergrund bilden die Förderung durch Teamstunden und der Einsatz von Sprachmittlern, wenn es um die Klärung von organisatorischen Abläufen geht. Im letzten Schuljahr belief sich die Tätigkeit dieser Mediatoren auf 20 Stunden pro Semester, was als ausreichend empfunden wurde.

Die 6 Wochenstunden hingegen, in welchen Sprachförderung durch eine Sprachlehrerin angeboten wird, reichen nicht aus, zumal sich diese Stunden auf alle Schulen im Sprengel aufteilen. Christian Köllemann, Direktor des Schulsprengels Naturns: „Schwierigkeiten haben die Lehrpersonen, die ohne Hilfe von Sprachlehrern, kaum didaktisch zielführend arbeiten können.“ Ausgrenzung oder Ausländerfeindlichkeit unter den Kindern sind in der Schule nicht bekannt. Es wird aber vermehrt Augenmerk auf die Jugendlichen geworfen, sodass keine extremistischen Gruppen entstehen können. Szenetypische Outfits oder Kritzeleien sind zur Gänze verboten.

Urteile und Vorurteile

Möglichkeiten und Gesetze scheinen den Menschen mit Migrationshintergrund meist gut bekannt und werden auch gerne angewandt. Diese Gegebenheit erscheint vielleicht etwas wunderlich, wenn man bedenkt, dass dies trotz der sonst beachtlichen sprachlichen Defizite gelingt.

Die Einwanderer wissen sehr wohl, an wen es sich zu wenden gilt, und wie die Gesetze, beispielsweise zu Arbeits- und Wohnungsrecht, lauten. Wo so manch Anderer die Situation einfach hinnimmt und höchstens mit einem verärgerten Kopfschütteln abtut, kennen Ausländer weniger Skrupel, ihr Recht auch vor Gericht durchzuboxen.

„De kemmen her, hobn nia nicht ingezohlt und kriagn olls: Sozialwohnung, Geld und susch olls meagliche. Und inseruans….“, diese nicht nur hinter vorgehaltener Hand häufig geäußerte Kritik gegenüber Ausländern, entbehrt hingegen jeder Grundlage. Das Gesetz schreibt ganz klar vor, dass Nicht- EU- Bürger und Staatenlose erst nach fünfjährigem, ständigem Aufenthalt und ununterbrochenem Wohnsitz in Südtirol, unter denselben Bedingungen wie italienische Staatsbürger und Staatsbürger der Europäischen Union, Anspruch auf die Leistungen der finanziellen Sozialhilfe haben. Christina Eberhöfer: „Es ist endlich an der Zeit, mit diesem hartnäckigen Vorurteil aufzuräumen. Nur in besonderen Härtefällen kann vor dieser Frist eine zweimonatige Zuwendung in Form von Einkaufsgutscheinen in Anspruch genommen werden. Besteht keine Aussicht auf Besserung der Situation, wird den Einwanderern auch dringend nahe gelegt, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren.“ Auch bei den so genannten Familienzusammenführungen gibt es genaueste Vorschriften und Kontrollen. Welch menschliche Tragödien sich manchmal hinter diesen auch notwendigen Gesetzen abspielen, kann nur erahnt werden.

„Ich fühle mich hier wohl“

Shafiqul Islam aus Bangladesch kam vor 18 Jahren als Koch nach Naturns. Mittlerweile seit 16 Jahren im gleichen Betrieb beschäftigt, hat sich der immer freundliche Mann gut integriert. Nach der Hochzeit, während eines Heimaturlaubes, musste er alleine zurückkehren. Erst als er, zwei Jahre später, eine entsprechende Wohnung fand, konnte seine Frau mit ihm hier leben. Die Wohnungssuche stellte sich als schwierig dar, da viele Vermieter kein Interesse hatten, die Wohnung an Ausländer zu vergeben oder aber unerschwingliche Mieten verlangten.

1998 kam Shafiqul Islams Tochter hier zur Welt, besuchte den Kindergarten und mittlerweile die 5. Klasse der Grundschule. Seine Frau arbeitet inzwischen in der Obstgenossenschaft, lebt ansonsten aber eher zurückgezogen. Anfängliche Sprachschwierigkeiten machten es erforderlich, dass ihr Mann sie bei allen Erledigungen im Dorf begleiten musste. Die heute angebotenen Sprachkurse, die es damals noch nicht gab, wären der Familie eine große Hilfe gewesen.

Vor einigen Jahren gelang es Shafiqul Islam sich hier eine Wohnung zu kaufen und auch seine Mutter nach Naturns zu holen. Früher war es leichter eine Arbeit zu finden. Die verhaltenen Blicke der Einheimischen sind heute jedoch kaum noch zu spüren. Der Bengale ist mit seinem Leben zufrieden, er schätzt die Sicherheit in unserem Land und ganz besonders seine Arbeitsstelle.

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