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Senatswahlen – Vinschgau: „SVP kann auch einen Besenstiel aufstellen“

6. März 2008

Vinschgerwind-Titel 5-08

Dem amtierenden SVP-Senator Manfred Pinzger will man das Wahlfeld für den Senat nicht kampflos überlassen. Oswald Angerer (Freiheitliche) und Christine Taraboi Blaas (Union für Südtirol) treten im Senatswahlkreis West gegen Pinzger in den Ring. Die drei Vinschger Senatskandidaten fassen sich mit Samthandschuhen an. Für die Freiheitlichen wie auch für die Union für Südtirol sind die Senatswahlen eine Standortbestimmung für die Landtagswahlen im Herbst.

Moderation: Erwin Bernhart; Fotos: Angelika Ploner

„Der Vinschger Wind“: Die 61. Regierung ist vor kurzem in Rom gefallen. Im Schnitt gab’s in Italien seit dem 2. Weltkrieg jedes Jahr eine neue Regierung. Italien ist alles andere als stabil. Wäre es nicht ehrlicher, die Südtiroler zum Wahlboykott aufzurufen, um nach Rom zu signalisieren, dass man mit diesem „Bananenstaat“ nichts mehr zu tun haben will?

Oswald Angerer: Ich denke, dass eine Vertretung von Südtirol in Rom sein sollte. Keine Vertretung in Rom zu haben, wäre sicher der falsche Weg. Ob zwei oder drei Vertreter von Südtirol in Rom sind, das spielt eigentlich keine Rolle.

Manfred Pinzger: Ich denke, dass es unumgänglich ist, dass sich Südtirol aufgrund der geltenden Verfassung beteiligt. Es braucht eine starke Südtiroler Vertretung in Rom. Es ist die einzige Möglichkeit, für das Land etwas herauszuholen.

Christine Taraboi Blaas: Im Grunde genommen bin ich schon dafür, dass wir mit dieser „Bananenrepublik“ so wenig wie möglich zu tun haben sollten. Leidergottes sind wir momentan noch nicht in dieser Situation. Deshalb bin ich der Meinung, dass es notwendig ist, eine Vertretung in Rom zu haben. Es kommt nicht drauf an, wie viele bzw. wie stark diese Vertretung ist, sondern ob diese Vertretung für Südtirol oder ob sie für Rom und gegen Südtirol da unten sitzt.

Die Wähler sind müde. Ihr überzeugendstes Argument, die Wähler zu den Wahlurnen zu rufen?

Taraboi Blaas: Die Union für Südtirol tritt aus demokratiepolitischen Gründen zur Wahl an. Zwei Wahlen in einem Jahr sind für die Wähler schon fast eine Zumutung. Trotzdem: Der Bürger muss auch verstehen, dass er Rechte und Pflichten hat. Und zu einer Wahl zu gehen, gehört auch zu den Pflichten der Bürger.

Pinzger: Die SVP hat diese Wahlen jetzt so nicht gewollt. Wir wollten eine Wahlrechtsreform, damit Italien stabil regiert werden kann. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, geschlossen über die Parteien hinweg, die Wählerinnen und Wähler aufzurufen, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Angerer: Wir Freiheitlichen treten auch aus demokratiepolitischen Gründen zur Wahl an. Wahlen heißt ja auch auswählen. Was wäre das für eine Wahl, wenn nur ein Kandidat antreten würde? Mich freut’s, dass auch die Union für Südtirol antritt. Das ist eine Auswahl mehr. Viele werden sich fragen, warum wir uns nicht zusammengetan haben. Man wird allerdings danach die Stimmen zusammenzählen. Man muss sagen, dass die SVP in der glücklichen Lage ist, sich über Jahrzehnte ein Wahlvolk gezüchtet zu haben, welches symptomatisch das Edelweiß sucht. Ohne jemandem nahe treten zu wollen, die SVP ist in der glücklichen Lage, einen Besenstiel aufstellen zu können, der dann nach Rom gewählt wird.

Freiheitliche und Union haben von der SVP herbe Kritiken einstecken müssen, dass sie zur Wahl antreten. Für die Senatswahlen, die Personenwahlen ohne Prozenthürde sind, läuft diese Kritik wohl ins Leere.

Pinzger: Ich glaube nicht, dass die Kritik ins Leere läuft. Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine Vertretung in Rom haben. Ich denke, dass die Bürger schon die Rechnung selbst machen. Ich sehe, dass die Kandidaturen meiner Mitkonkurrenten eher Protestwahlen sind. Trotzdem stehe ich mit Respekt den Kandidaturen gegenüber. Die SVP stellt nicht Besenstiele auf, sondern hat die Kandidaten mit Vorwahlen klar und deutlich ermittelt. Vor zwei Jahren hatte ich persönlich eher einen schwierigen Weg, als Kandidat ermittelt worden zu sein. Da steht eine bestimmte Basis dahinter. Im Gegensatz zu anderen Parteien, die aufgrund des Wahlrechts die Listen machen. Das ist nicht demokratisch.

Taraboi Blaas: Die Kandidatur der deutschen Oppositionsparteien wäre zu verhindern gewesen, wenn sich die SVP vom hohen Ross geschwungen hätte und frühzeitig mit der Opposition geredet hätte. Wir sind ja kein Kegelverein. Wir sind eine Partei und das seit Jahrzehnten, genauso die Freiheitlichen.

Pinzger: Der SVP-Parteiobmann hat schriftlich mit den Freiheitlichen verkehrt. Es hat einen Gedankenaustausch gegeben, aber man hat sich nicht gefunden. Also das Gespräch ist gesucht worden. Bei der Union weiß ich das nicht so genau.

Angerer: Diese Gespräche haben vor allem Bozen-Unterland und die Kammerwahl betroffen. Da ist ein Angebot von den Freiheitlichen gemacht worden: einmal die Senkung der Autosteuer um zehn Prozent oder eine Verdoppelung des Kindergeldes. Diese Forderungen gegenüber der SVP waren nicht Forderungen für die Partei der Freiheitlichen, sondern für das Volk. Wir haben 1996 mit dem damaligen SVP-Obmann Siegfried Brugger ein schriftliches Abkommen getroffen, in dem sich die SVP verpflichtet hat, sich wieder für das reine Verhältniswahlrecht mit Vorzugsstimmen einzusetzen. Damals haben wir auf eine Kandidatur verzichtet. Passiert ist bis heute nichts.

Pinzger: Das stimmt nicht ganz. In der zuständigen Gesetzgebungskommission des Senats ist genau das, was damals vereinbart worden ist, eingebracht und im Wahlrecht bzw. im Wahlgesetz „Bianco“ verankert worden. Leider Gottes ist die Regierung frühzeitig geflogen.

Angerer: Ich lese die Abmachung kurz vor: „Die Südtiroler Volkspartei verpflichtet sich, unmittelbar zu Beginn der kommenden Legislaturperiode 1996-2001 eine Gesetzesänderung zum geltenden Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus in Rom einzubringen. Ziel dieses Änderungsantrages ist die Wiedereinführung des Verhältniswahlrechts in Südtirol.“ Also die Verpflichtung hätte bereits ab 1996 gegolten. Und da ist nichts passiert.

Pinzger: In der damaligen Zeit sind zwei Regierungen geflogen. Da war nichts zu machen.

Zurück zu den Senatswahlen. Georg Schedereit hat vor zwei Jahren rund 17.000 Stimmen im Senatswahlkreis West geholt. So wie’s ausschaut kandidiert Schedereit diesmal nicht. Wer will die Stimmen haben?

Taraboi Blaas: Schedereits Ausgangsposition damals war optimal. Was heißt, wer will die Stimmen haben? Die Chancen, die eine Partei bei einer Wahl hat, bestimmen die Wähler.

Angerer: Ich war vor zwei Jahren als Kandidat auch dabei. Es hat damals eine Polarisierung zwischen Pinzger und Schedereit gegeben. Es war eh ein Wunder, dass ich nicht zwischen diesen Mühlen aufgerieben worden bin. Mit meinen 5000 Stimmen bin ich zufrieden gewesen. Ich möchte diesmal mehr als 5000 Stimmen holen.

Dem Wähler wird man einige Themen bieten müssen. Zählen Sie zwei Themen auf, die Sie jeweils von den anderen Parteien scharf abgrenzen.

Taraboi Blaas: Zwei Themen, die uns ganz sicher von der SVP abgrenzen. Einmal ist dies die Steuerhoheit. Der Senator Pinzger hat zwar das Wort „Steuerhoheit“ in letzter Zeit in den Mund genommen. Die SVP hat aber  bisher nicht den Mut gehabt, die Steuerhoheit in Rom zu fordern. Zum Zweiten das Einwanderungsgesetz in Italien: Das wird uns früher oder später gesellschaftspolitisch und finanziell das Genick brechen. Wir haben zur Zeit eine Ausländerquote in Südtirol von 5,8 Prozent. Der sehr bekannte Ripa de Meana hat im EU-Parlament bereits vor Jahren gesagt, dass für jedes Land eine Einwandererquote von 5 Prozent das Maximum ist, das gesellschaftspolitisch zu bewältigen ist. Laut der jüngsten ASTAT-Studie soll die Einwanderer-Quote im Jahr 2020 15 Prozent betragen. Deshalb müssen wir  beim Einwanderergesetz mehr Zuständigkeiten erhalten.

Angerer: Ich fordere eine Rücknahme der überzogenen Verkehrsstrafen, bei denen die SVP mit im Boot gewesen ist. Gerade diese Strafen bringen einige Familien in enorme Bedrängnis. Da wundert es mich, dass bei den SVP-Parlamentariern nicht die Alarmglocken geläutet haben. Da wäre eine Gegenstimme zur Prodiregierung nicht Erpressung sondern Notwehr gewesen. Zum anderen bin ich für lokale Tarifverträge. Es kann nicht sein, dass wir mit unseren Tarifverträgen an Italien hängen, weil zum Beispiel 1000 Euro in Südtirol um einiges weniger Wert sind als in Kalabrien etwa.

Pinzger: Ich kenne die Programme der Mitkandidaten nicht im Detail. Beim Straßenkodex haben bei uns nicht nur die Alarmglocken sondern die Vatikan-
glocken geläutet. Wir waren da nachweisbar sehr aktiv, mit Abänderungsanträgen usw. Aufgrund des Druckes der extremen Linken und nachdem wir einen Pakt mit Prodi gehabt haben, sind wir da mit im Boot gewesen. Aber das ist noch nicht durch. Der Straßenkodex liegt in der dritten Lesung in der Kammer und da sind Abänderungsanträge vom Kollegen Zeller angenommen worden. Die Hauptaufgabe besteht darin die Autonomiebefugnisse auszuweiten, an der Steuerautonomie arbeiten wir. Wesentlich wird allerdings auch eine gesunde Familienpolitik sein. Ich bin von Wirtschaftskreisen beim Haushaltsgesetz 2007 stark kritisiert worden, weil ich öffentlich gesagt habe, dass die Arbeitnehmer 100 oder 200 Euro monatlich mehr in der Tasche haben sollten. Weil damit die kleingewerbliche Wirtschaft  auch angekurbelt wird.

Eine Mitte-Rechts-Regierung ist wahrscheinlich. Ist die Autonomie in Gefahr?

Angerer: Die Autonomie ist sicher nicht in Gefahr. Dadurch, dass sich die SVP das letzte Mal auf die linke Seite geschlagen hat, kann es sein, dass neue Zugeständnisse schwieriger zu bekommen sein werden.

Pinzger: Wir hatten mit Prodi einen Garanten. Mit ihm haben wir ein 18 Punkte-Programm abgeschlossen. Der Garant Prodi, nicht die Regierung Prodi, war für uns Bürge genug. Die erworbenen Autonomierechte sind dermaßen abgesichert, dass sie unantastbar sind. Insgesamt wird es mit einer möglichen Mitte-Rechts-Regierung schwierig werden, neue Kompetenzen zu holen. Wir haben auch in der Vergangenheit mit allen geredet, deshalb glaube ich nicht, dass wir da total in die Ecke gedrängt werden.

Taraboi Blaas: Mitte-Rechts ist für ein Land wie Südtirol nicht gut. Die Autonomie ist sicher nicht in Gefahr. Allerdings könnte das ethnische Zusammenleben in Gefahr geraten. Die Vertreter, die nach Rom geschickt werden, werden sich warm anziehen müssen. Inwieweit jene Zugeständnisse, die noch in der Schwebe sind, auf Eis gelegt werden, muss man schauen.